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Kultur: Fellini-Standfotos: Im Auge des Satyrs

"La Strada", schrieb Federico Fellini, "ist ein Film über die Einsamkeit und darüber, dass es einen Ausweg aus der Einsamkeit geben kann, wenn zwei Menschen ein tiefe Beziehung zueinander knüpfen". Mit "La Strada" gewann Fellini 1954 seinen ersten Oscar.

"La Strada", schrieb Federico Fellini, "ist ein Film über die Einsamkeit und darüber, dass es einen Ausweg aus der Einsamkeit geben kann, wenn zwei Menschen ein tiefe Beziehung zueinander knüpfen". Mit "La Strada" gewann Fellini 1954 seinen ersten Oscar. Der kommerzielle Erfolg erlaubte ihm, endlich mit seiner Frau in eine eigene Wohnung zu ziehen! "Wir konnten endlich aus der Wohnung von Giuliettas Tante ausziehen und uns eine eigene Wohnung in Parioli, einem schönen römischen Vorort, kaufen".

Bei den Dreharbeiten konnte sich Fellini bereits auf viele eingespielte Beziehungen verlassen, seinen Drehbuchautor Tullio Pinelli, den Kameramann Otello Martelli und Nino Rota, dessen Musik für "La Strada" millionenfach verkauft wurde, und natürlich auf Giulietta Masina, seine Ehefrau. Neu dabei war nur Franco Pinna, ein junger Fotograf, der die Dreharbeiten als einfacher Standfotograf begleitete. Aber auch Pinna blieb.

Er fotografierte bei Fellinis "Julia und die Geister" (1965), "Satyricon" (1969) und "Casanova" (1976), und je länger er blieb, desto mehr wuchs er über die Rolle des Standfotografen hinaus. Pinna, sagte Fellini später einmal, sei ein "Regisseur für stehende Bilder". Und so ließ er ihn gewähren: "Pinna ist bei seiner Arbeit in die Materie eingetaucht, er hat dokumentiert und dabei gleichzeitig selbst eine Geschichte erzählt. Seine minutiöse Genauigkeit wie seine stoische Gelassenheit ließen uns am Set oft verzweifeln - um so glücklicher waren wir dann, wenn wir die Resultate sahen."

Pinna hatte, ähnlich wie Fellini, eine neo-realistische Vergangenheit. 1950 war er 25-jährig in die italienische Kommunistische Partei eingetreten und hatte begonnen, für die Presseorgane der Partei zu fotografieren. Er veröffentlichte dramatische Fotoserien über die Armut in den Vorstädten, das ländliche Italien im Süden und auf Sardinien, wo er geboren wurde, und schon bald zählten Pasolini, Moravia, Visconti zu seinem Bekanntenkreis.

Pinna war in der Tat ein politischer Bildreporter, gleichzeitig war er Foto-Ethnologe und sogar ein Gesellschaftsfotograf. Pinna war mit Tazio Sechiaroli, einem Paparazzo aus der Via-Veneto-Gruppe ebenso befreundet wie mit Franco Cagnetta, einem Pionier der anthropologischen Fotografie.

So weitschweifend wie seine künstlerischen Interessen, so weit verbreitet waren seine Bilder. LIFE veröffentlichte sie, aber auch Paris Match, Epoca und der Stern.

Dabei bereicherte Pinna das Genre der Standfotografie. Stills, wie jene Fotos genannt werden, auf denen Schauspieler längst abgedrehte Szenen noch einmal nachstellen, sind oft nicht mehr als Instrumente des Marketing, zukünftige Poster und Werbebilder. Sie stellen aber die faszinierende Rückführung des Films auf das stehende Bild dar. Im besten Fall, und dazu kann man Pinnas Bilder zählen, arrangiert der Standfotograf das Set um, deutet die Szenen neu. Was dann entsteht, sind nicht Reduktionen oder Konzentrationen einer viel reicheren Bildfolge, sondern "Illustrationen", wie Siegfried Kracauer Standfotografien nannte, ganz eigene Kompositionen.

Franco Pinnas Bilder sind nun zum ersten Mal in Deutschland zu sehen. Neben den dekadent-barocken Fotografien vom letzten gemeinsamen Projekt mit Fellini, "Casanova", zeigt die Galerie Art + Interior auch einige von Pinnas beeindruckenden Schwarz-weiß-Fotos, etwa das Porträt der Schauspielerin Capucine und seine asketischen Landschaftsaufnahmen. "Casanova", sagte Fellini lange nach Pinnas Tod, sei der einzige Film, der ihm missraten sei. Auf Franco Pinnas Bildern von den Dreharbeiten ist davon aber nichts zu spüren.

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