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Fernsehturm: Extravaganter Wohnraum über den Dächern Berlins

Seit nunmehr über einem halben Jahr steht der Berliner Fernsehturm bereits zum Verkauf - Interessenten gibt es offiziell noch keine. Dabei wäre das Wahrzeichen schon für geschätzte 50 Millionen Euro zu haben, und damit viel günstiger als eine mittelmäßige Villa in Malibu. "Brangelina" sucht Gerüchten zufolge immer noch nach einer Dachwohnung in Mitte - Ein Warten auf den Ausverkauf?

Seit dem 1.März diesen Jahres versucht die Telekom ihre Tochter "Deutsche Funkturm" an den Mann zu bringen. Die GmbH verwaltet einen aufsehenerregenden Teil der Immobilien des Telefonkonzerns, die vertikalen nämlich. Für die Telekom jedoch sei diese Immobiliensparte inzwischen schlicht überflüssig geworden, meint zumindest die "Financial Times Deutschland". Datenverkehr über unterirdische Kabel haben den Informationsaustausch hoch über den Dächern der Stadt längst abgelöst. Das Geschäft mit den Türmen habe "null Fantasie", würden Mitarbeiter des mangentafarbenen Unternehmens lästern.

Mitarbeiter eines Unternehmens also, die den für Berlin so wichtigen Turm in Zeiten der für Deutschland ach so wichtigen Fußball-WM zu einem rosaroten Fußball verwurstelt haben. Oder, um es mit den Worten von Gerhard Matzig von der "Süddeutschen Zeitung" zu sagen, in eine "popbunte Telekomwampe, die von einem Schaschlik-Spieß penetriert wird". Kein Wunder, dass Interessenten sich angewidert abwenden.

Ist das "Zeitalter der Hybris" also vorbei? Die Zeit, in der zunächst jedes Dorf einen höheren Kirchturm als das Nachbardorf brauchte. Und später jede Stadt einen höheren Fernsehturm als die Nachbarstadt? Wenn dem so wäre, dann steht Berlin als endgültiger Deutscher Sieger fest. Dem kleinen Eiffelturm im Westen setzten die Ostberliner den 1969 bis heute höchsten Turm entgegen. 368 Meter hat sich Ostberlin in die Vertikale ausgedehnt.

Auf über 200 Meter Höhe hat sich ein drehendes Restaurant breit gemacht, Menschenschlangen bitten jeden Tag um Einlass. Aber jeder kommt nur zu Besuch, keiner will bleiben. Dabei hat der Turm alles zu bieten, was das herz begehrt: Zentrale Lage mit Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe, Küche und Esszimmer (drehend), mehrere Bäder (teilweise drehend), einen repräsentativen Eingangsbereich, sonnendurchflutete Wohnfläche im Überschuss und einen tollen Blick über Berlin. Möglicherweise kann das Objekt teilmöbliert übernommen werden.

Natürlich müsste der neue Besitzer damit zurecht kommen, jeden Tag Touristen in der Einfahrt stehen zu haben. Auch ist ein sich immer und immer wieder um die eigene Achse drehendes Bett nicht jedermanns Sache. Aber über zu hohe Strahlenwerte müsse sich der Interessent keine Sorgen machen. Die "Deutsche Funkturm GmbH" informiert auf ihrer Homepage, dass bis heute "keine Langzeitwirkungen von Funkwellen auf den Menschen festgestellt" wurden, was auch "nicht an mangelnder Forschung" läge.

Der neue Besitzer, gerne auch passionierter Heimwerker, der sich an der Fassade austoben dürfte, sollte für das Schmuckstück nicht mehr als 50 Millionen Euro ausgeben, so ein Experte gegenüber dem Tagesspiegel. Bei einem lukrativen Angebot möchte die Telekom durchaus verkaufen. Viel lieber wäre es ihr aber, die ganze GmbH mit ihren 500 Türmen in ganz Deutschland loszuwerden. Rund eine Milliarde Euro will sie von der Person haben, die dafür aber die höchsten Gebäude aller deutschen Städte sein Eigentum nennen dürfte. Wem das zu viel ist, der sollte sich den "kleinen Bruder" des Fernsehturms im Westen näher anschauen.

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