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Kultur: Feste feiern

KLASSIK

Mit den Sinfonien Gustav Mahlers hat Daniel Barenboim ein Problem: Der stilisierte Volkston wie auch der Bombast einzelner Sätze hätten ihn lange abgeschreckt, schreibt er in seiner Autobiografie „Die Musik – mein Leben“ (Ullstein). Noch heute mache er um Stücke wie die monumentale Achte einen Bogen. Bei seiner Fünften ist in der ausverkauften Philharmonie von diesen Ressentiments freilich nichts zu spüren – umso mehr von Barenboims erklärtem Ziel, „Mahler von allen nicht-musikalischen Konzepten zu reinigen“. Allemal mutig, so etwas zu behaupten: Mahler ohne Weltanschauung, ohne Fortschrittsglaube und Endzeitstimmung, ohne Brüche und Hysterie – das soll funktionieren?

Barenboim dirigiert Mahler als Komponisten des 19. Jahrhunderts, als einen, für den das Modell Sinfonie noch völlig intakt ist: Der Trauermarsch hat nichts Visionäres, sondern lebt unverhohlen romantisches Sentiment aus, das Adagietto ist einfach ein schönes Intermezzo und das Finale, in dem andere Dirigenten gleißenden Zusammenbruch sahen, zeigt alerte Festlichkeit. Die Musik verweist tatsächlich auf nichts anderes als auf sich selbst – das aber tut sie mit beeindruckender Intensität: Vor allem die Streicher der Staatskapelle spielen oft so berückend schön, dass man darüber alles andere vergisst, die Celli oder die Bratschen tröpfeln mitunter eine tristaneske Wehmut ein, nach der man süchtig werden könnte. Dass darüber die erste, Schumann gewidmete Programmhälfte in den Hintergrund rückt, ist nur natürlich: Verhalten absolviert, bietet sie dem jungen Pianisten Jonathan Biss immerhin Gelegenheit, an den beiden Konzertstücken seinen frischen, farbenreichen Anschlag zu zeigen.

Jörg Königsdorf

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