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Vom Geheimtipp zum Szene-Star. Der dänische Komponist Simon Steen-Andersen war bereits früher auf dem Festival Ultraschall zu hören.

© promo

Festival Ultraschall beginnt: Klänge in Zeitlupe

Am Mittwoch eröffnet das Neue-Musik-Festival Ultraschall mit unter anderem Simon Steen-Andersen und Heinz Holliger. Der Schwerpunkt liegt auf Solo-Streichinstrumenten. Ein Überblick.

Mit ohrenbetäubendem Lärm zerschellt das Klavier, als es auf dem harten Betonboden aufschlägt – vielleicht hat es ein Pianist vor Wut einfach aus dem Fenster geworfen. Den Sturz aus acht Metern Höhe hat der dänische Komponist Simon Steen-Andersen in Superzeitlupe aufgenommen, als „visuelles Vorspiel“ für sein Klavierkonzert. Nicolas Hodges, Enno Poppe und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin führen es beim Festival Ultraschall auf, das am kommenden Mittwoch beginnt. Der Film wird auf eine Leinwand über dem Orchester projiziert: „Dadurch sieht man die zwei Sekunden, die das in Echtzeit dauert, gedehnt auf fünf Minuten. Das ist keine Zeitlupe, das ist ein Zeitmikroskop!“, sagt Steen-Andersen, der in Berlin lebt.

Genauestens hinschauen, in das Innerste der Instrumente blicken, Klänge verlangsamen, ihre mikroskopische Zusammensetzung studieren: Dieses Konzept durchzieht alle seine multimedialen Arbeiten, für die Steen-Andersen 2017 mit dem Ernst-von-Siemens-Förderpreis ausgezeichnet wurde. So aufwendig die Anordnung mit Sinfonieorchester, Solist und verschiedenen Videoprojektionen auch sein mag: Musikalisch, versichert er, stünde sein Klavierkonzert „in reinstem C-Dur“.

Ehemalige Geheimtipps sind heute große Namen

Andreas Göbel, Redakteur für Neue Musik beim RBB und einer der beiden Leiter des Ultraschall-Festivals, freut sich auf Steen-Andersens Klavierkonzert. Weil der 1976 geborene Komponist in gewisser Weise auch eine Entdeckung des Festivals ist. „Er hat bei Ultraschall schon gespielt, als er noch ein Geheimtipp war.“ Mittlerweile gehöre der dänische Tausendsassa „zu den nachgefragtesten Komponisten, zu den großen Namen der Szene“.

Große Namen der zeitgenössischen Musik findet man auch im Eröffnungskonzert, allerdings aus einer wesentlich älteren Generation: Heinz Holliger, geboren 1939, wird sein Violinkonzert „Hommage à Louis Soutter“ mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin und dem Solisten Thomas Zehetmair aufführen. Außerdem erklingt „Photoptosis“ von Bernd Alois Zimmermann, dessen 100. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird.

Alle erdenklichen Klangrichtungen und Spieltechniken

Schon immer habe man bei Ultraschall auch in die Vergangenheit zurückgeblickt, auf wichtige Werke und Strömungen der zeitgenössischen Musik, meint Festivalleiter Andreas Göbel. „Viele Werke wirken im heutigen Kontext ganz anders, nehmen zu dem, was heute passiert, eine ganz andere Stellung ein. Das ist Teil unseres Festivals, solche Werke neu zu befragen.“

In diesem Jahr legt das Festival dabei einen Schwerpunkt auf solistisch gespielte Streichinstrumente. Ihre Geschichte reicht viele Jahrhunderte zurück, sagt Andreas Göbel. Daraus ergebe sich für Komponisten die spannende Frage: Was kann man tatsächlich noch Neues damit spielen? Die Antwort findet sich unter anderem in drei Solo-Recitals mit Kontrabass, Viola oder Violine, bei denen alle erdenklichen Klangrichtungen und Spieltechniken dieser Instrumente vorgeführt werden.

Besondere Würdigung erfährt Bernd Alois Zimmermann

Die Geigerin Carolin Widmann wird im Pierre Boulez Saal auftreten, für das Festival eine Raum-Premiere in der Mitte der Stadt. Andere Spielorte sind der Große Sendesaal des RBB – mit unbestechlicher Akustik ausgestattet – oder auch der Heimathafen Neukölln. Ultraschall hat schon immer den Dialog mit der ganzen Stadt gesucht und den Elfenbeinturm gemieden. Wohl auch deshalb sind die Konzerte „immer voll“, glaubt Pianist Götz Schumacher. Mit dem „GrauSchumacher Piano Duo“ hat er seit der Gründung 1999 beim Festival mitgewirkt und die Freiheit in der Programmgestaltung als eine große Qualität erlebt. „Wir hatten die Möglichkeit, einfach ein Programm anbieten zu können und das offene Ohr der jeweiligen Intendanten zu haben. Das war schon immer etwas Besonderes bei Ultraschall.“

Diesmal kombiniert Götz Schumacher mit seinem Klavierpartner Andreas Grau Musik von Bernd Alois Zimmermann mit der in Köln lebenden Komponistin Brigitta Muntendorf. Ihr „Key of Presence“ ist eine Performance für zwei Klaviere und Elektronik, geschrieben für die beiden Musiker, die sich in 20 Jahren Ultraschall zum herausragenden Klavierduo der Neuen Musik entwickelt haben. Und man habe auch noch „für weitere 20 Jahre“ ausreichend Programmideen, meint Götz Schumacher. Besonders am Herzen liegt ihm immer wieder Bernd Alois Zimmermann: „Sein Blick auf die Welt und auf die Menschen bleibt immer aktuell, so wie Mozart oder Schubert. Zimmermann gehört in den Kanon der ganz großen Komponisten, die immer gespielt und gehört werden müssen!“

Das Festival läuft vom 17. bis 21. Januar, weitere Infos: www.ultraschallberlin.de

Hans Ackermann

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