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Kultur: "Figaro" und "Jenufa": Hier bleibt nichts verborgen - Operngenuss auf die englische Art

"Figaros Hochzeit" ist eine Art Schlüsselwerk für Glyndebourne, den Opern-Wallfahrtsort auf der grünen Wiese südlich von London. Seit jenem legendären Beginn unter Fritz Busch und Carl Ebert vor 66 Jahren, ist diese Oper nicht nur zu jedem offiziellen Anlass gegeben worden - zum Wiederbeginn nach dem Krieg 1950, historisierend 1989 mit dem "Orchestra of the Age of Enlightenment" unter Simon Rattle, 1994 zur Eröffnung des akustisch überaus gelungenen neuen Hauses -, sondern ist die meistgespielte Oper überhaupt in Glyndebourne.

"Figaros Hochzeit" ist eine Art Schlüsselwerk für Glyndebourne, den Opern-Wallfahrtsort auf der grünen Wiese südlich von London. Seit jenem legendären Beginn unter Fritz Busch und Carl Ebert vor 66 Jahren, ist diese Oper nicht nur zu jedem offiziellen Anlass gegeben worden - zum Wiederbeginn nach dem Krieg 1950, historisierend 1989 mit dem "Orchestra of the Age of Enlightenment" unter Simon Rattle, 1994 zur Eröffnung des akustisch überaus gelungenen neuen Hauses -, sondern ist die meistgespielte Oper überhaupt in Glyndebourne. Die achte Inszenierung eröffnete auch die diesjährige Saison.

Zum Auftakt gab es traditionsgemäß die Nationalhymne, aber im Mozart-Stil bearbeitet! Launig blieb auch der ganze Figaro. Graham Vick, der derzeitige Leiter der Festspiele, hatte acht Wochen Zeit zum Probieren. Heraus kam eine präzise Personenregie ohne Manierismen, aber mit allerlei originellen Einfällen: Marcellina probierte schon mal Susannas Brautkranz, Antonio stellte seinem Herrn verstohlen einen Blumentopf auf den Schreibtisch, und Susanna wurde zum Zeichen ihrer Unschuld auf eine Matratze (die aus dem ersten Akt) gebettet und mit einem weißen Tuch bedeckt. Auf eben diese Matratze sanken am Ende Graf und Gräfin zum Symbol ihrer wie auch immer kurzlebigen wiedergewonnenen Liebe.

Das Ganze ist strikt in schwarz-weiß gehalten, mit den roten Absätzen des Grafen als einzigem Farbtupfer. Trugen die Schlossbewohner zu Beginn moderne Alltagskleidung, so wurden die Kostüme von Akt zu Akt prächtiger und historischer, bis die Gräfin in großer Krinoline mit weißer Perücke und der Graf in Galauniform steckten. Bühnenbildner Richard Hudson hatte sich dazu durchsichtige, verschiebbare Wände einfallen lassen, ein japanisch anmutendes Ambiente, und plötzlich wurde klar, warum der Graf Susanne "Unter den Pinien" treffen muss - in diesem Schloss bleibt nichts verborgen.

Musikalisch spiegelte das Orchester die Transparenz der Bühne wider. Ging der Mozarterfahrene Andrew Davis die Ouvertüre noch überschnell an, so zelebrierte er später das "Porgi amor" in aller Ruhe und ließ seinen Sängern genug Luft zum Atmen. Das London Philharmonic Orchestra, bestens disponiert, musizierte mit aller gebotenen Schwerelosigkeit und auch das Sängerensemble ließ keine Wünsche offen - bis hin zu Basilio von Andrew Forbes-Lane und der sehr jugendlichen Marcellina von Diana Montague, die beide ihre so oft gestrichenen Arien singen durften. Figaro war der sportlich-elegante, biegsam singende Schwede Peter Mattei, die junge Deutsche Christiane Oelze sang ihre erste Susanna, die besonders durch die vom Hammerklavier begleiteten differenziert gestalteten Rezitative auffiel. Etwas blasser in der Charakterisierung wirkte der Graf des Polen Mariusz Kwiecien und die italienische Gräfin Maria Constanza Nocentini. Marina Comparato war ein quirliger Cherubino. Glyndebourne hat noch nie auf Namen gesetzt, sondern auf begabten Nachwuchs und hatte dabei stets eine glückliche Hand.

Anderntags "Jenufa" von Janácek, in der Inszenierung von Nikolaus Lehnhoff von 1989, schon 1995 und nun dieses Jahr wiederbelebt. Hier ist, aufgebaut von Bühnenbildner Tobias Hoheisel, alles realistisch, die Wiese, die Scheune, das sich drehende Mühlrad, die karge Stube der Küsterin, und die Menschen bewegen sich darin so natürlich, dass man die ausgefeilte Regie kaum als solche wahrnimmt. Heute wie damals alle überragend, Anja Silja als Küsterin. Sie beherrscht die Szene, selbst wenn sie nur wortlos dasteht. Ihre Identifikation mit dieser strengen, später tief gedemütigten Frau ist vollkommen, und ihre Stimme, noch nie der Inbegriff des Belcanto, hat in 50 Jahren professionellen Singens nichts von ihrer Strahlkraft eingebüsst.

Neben ihr behaupten sich die anderen achtbar: Amanda Roocroft als eher herbe Jenufa, Pär Lindskog als Steva, Stefan Margita als Laca, der als Einziger in seiner Muttersprache singen konnte. Der zweite Glücksfall ist Jiri Belohlavek am Pult. Selbst Tscheche, ist er mit der Partitur innig vertraut und erweckte die von Janácek aus der tschechischen Sprachmelodie entwickelte Musik zu glühendem Leben. Das London Philharmonic Orchestra folgte ihm in jede Verästelung der Partitur - eine unvergessliche Aufführung.

Ursula Klein

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