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Alex' Geliebte (Lovely Fifi)

© Filmgalerie 451

Film "Mord in Pacot": Absturz, Einsturz, Weitermachen

Port-au-Prince, Haitis Hauptstadt, kurz nach dem Erdbeben im Jahr 2010: Die Häuser der Reichen sind zerstört. Raoul Peck zeigt in "Mord in Pacot" die Korruption der helfenden NGOs.

Dunkle Nacht, der Regen fließt in Strömen. Hinter einer Hecke schaffen Menschen in weißen Schutzanzügen zu requiemartig getragener Musik Leichen fort. Schnitt auf einen sonnenflirrenden Garten vor einem weißen Haus. Und eine Frau, die hektisch in Trümmern wühlt. Wir sind in Port-au-Prince, Haitis Hauptstadt, kurz nach dem Erdbeben im Jahr 2010. Das Paar in der Villa im feinen Stadtteil Pacot hat vor der Katastrophe zu den Wohlhabenden gehört. Nun sind Teile ihres Anwesens eingestürzt, der Rest ist von Rissen durchzogen. Und während eine Kommission die noch stehenden Gebäude nach knapper Prüfung in roter Farbe (sofort zu zerstören!) oder auch gelber (muss dringend repariert werden, sonst Abriss!) markiert, sind die Eigentümer notdürftig in der einstigen Dienstbotenhütte untergekommen.

Was aber, wenn das Reparaturgeld gerade mal für eine Dose Gips reicht? Also vermieten die beiden das Obergeschoss der Villa in der Hoffnung auf sichere Einkünfte an einen jungen Mann namens Alex, der für eine Hilfsorganisation namens „Beyond Aid Unlimited“ arbeitet. Die Rechnung geht nur halb auf. Denn Alex hat eine einheimische Gespielin im Schlepptau, die ihre sinnlichen Reize aufdringlich für eine bessere Zukunft fern der Heimat einsetzt. Dafür hat sie sogar ihren Namen von Artémise in Jennifer geändert. Auf die beiden im Garten campenden Ex-Besserverdienenden wirkt diese ordinäre Weiblichkeit provozierend. Und dann kämpfen sie auch noch mit dem immer schlechter zu verdrängenden Verwesungsgeruch auf ihrem Grundstück.

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Vor zwei Jahren hatte Raoul Peck, geborener Haitianer, mit dem Dokumentarfilm „Fatal Assistance“ einen wütenden Blick auf die Schattenseiten des internationalen Helfertums nach dem Erdbeben geworfen. „Mord in Pacot“ knüpft als fiktionale Variante hier an. Denn das von Peck mit dem haitianischen Schriftsteller Lyonel Trouillot und dem Franzosen Pascal Bonitzer geschriebene Drehbuch setzt weniger auf das melodramatische Potenzial der häuslichen Konstellation als auf die messerscharf nüchterne Analyse gesellschaftlicher Beziehungen.

Dabei nutzt Peck das Anwesen des namenlos bleibenden Paars als Bühne für ein Lehrstück über die durchgängige Korruption einer Gesellschaft, die auch vor 2010 schon am Tropf der NGOs hing und durch soziale und sexuelle Gräben und Machtlinien gespalten ist. Während die von der in Paris lebenden deutsch-nigerianischen Sängerin Ayo ein wenig monoton gespielte Madame erstmals ohne Hausangestellte zurechtkommen muss, macht ihr Mann der koketten Artémise schöne Augen.

Die wiederum ist – das Sein bestimmt auch hier das Bewusstsein – wohl die klarsichtigste der Figuren, die ihrem Geliebten Alex auch einmal die bittere Wahrheit ins Gesicht sagen darf: „Ihr Helfer könnt euch hier bereichern und tut so, als würdet ihr Gutes tun. Und wir kriegen ein paar Krümel ab und tun so, als würdet ihr uns retten ... Hört auf, uns für dumm zu verkaufen.“ Bitter allerdings, dass ihr persönlich diese Einsicht am Ende nicht hilft.
OmU: Brotfabrik, fsk, Hackesche Höfe

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