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Mit einem Drink geht manches besser. Butler Cecil Gaines (Forest Whitaker) weiß die Bedürfnisse seiner Präsidenten – hier Liev Schreiber als Lyndon B. Johnson – zu antizipieren.

© Prokino

Film "The Butler": Der Diener weißer Herren

30 Jahre lang arbeitete Eugene Allen für wechselnde Präsidenten im Weißen Haus: Nun hat Lee Daniels sein Leben verfilmt. „The Butler“ spiegelt US-Zeitgeschichte – aus konsequent afroamerikanischer Sicht.

Ganz am Ende des sich über Jahrzehnte spannenden Historienbogens mündet der Film in ein Ereignis, das bis in die Gegenwart fortwirkt. Der Butler, nunmehr hoch in den Achtzigern und seit einem Vierteljahrhundert außer Dienst, wird noch einmal an seine alte Wirkungsstätte berufen, ins Weiße Haus. Wieder ist ein neuer Präsident gewählt worden, endlich sein Präsident. Mit der Kaffeetasse in der zitternden Hand hat er die Wahl verfolgt, und nun wird er, zur Feier des Tages, zwei Accessoires anlegen, die er stets sorgfältig aufbewahrte: die bunte Krawatte, die ihm einst John F. Kennedy schenkte, und eine von Lyndon B. Johnson übereignete Krawattennadel.

Im üblich patriotischen Hollywoodfilm würde spätestens an dieser Stelle das Sternenbanner, wie angeblasen durch die Pausbackenpower eines pathetischen Scores, breit durchs Bild wehen. „The Butler“ dagegen unterspielt das Klischee. Feierlichkeit soll sein, als Barack Obama zum ersten schwarzen Präsidenten der USA gewählt ist – schließlich ist damit ein langer Weg vollendet, den der Film selber als steinig und blutig beschrieb. Andererseits lassen die finalen Szenerien, in die Obama knapp mit seiner mitreißenden Siegesrede eingeblendet wird, der Melancholie Raum. Als sei jener kaum fünf Jahre zurückliegende Freudentaumel längst ebenso entlegen wie die nur mehr in Geschichtsbüchern figurierenden Stationen, die ihm vorangingen.

Größer, ja: megalomanischer könnte ein Vorhaben kaum sein als jenes, das Lee Daniels nun mit „The Butler“ stemmt. Hier im Schnelldurchlauf die amerikanische Zeithistorie mit einem Halbdutzend weißer Präsidenten in den stürmischen Jahren zwischen 1957 und 1986. Dort die Familienstory eines schwarzen Butlers, der eben jenen wechselnden Präsidenten – von Eisenhower bis Reagan – dient. Und als gäbe es keinerlei kompositorische Risiken, etwa jenes der bloß betulich ausgepinselten Küchenperspektive der Macht, zielt Daniels auch noch auf ein Panorama schwarzer Geschichtsschreibung, das man so im Kino noch nicht gesehen hat. Und schließlich: Wie kann derlei auf behutsame Weise ausgerechnet einem Regisseur gelingen, der zuletzt mit seinem Harlemer Sozial- und Familiendrama „Precious“ (2009) so hemmungslos auf die visuelle und narrative Überwältigungsmaschinerie setzte?

Tatsächlich, es klappt. Für seine nach US-Maßstäben schlicht budgetierte 30Millionen-Dollar-Produktion trommelte er reichlich Schauspielprominenz zusammen, die ihre durchaus kleinen Präsidenten-Rollen punktgenau ausfüllt – von Robin Williams als feinsinniger Eisenhower über den jugendlichen James Marsden als Kennedy, Liev Schreiber als zerquälten Johnson und John Cusack als dekadenten Nixon bis zu Alan Rickman, der Ronald Reagan als gütigen Übervater mimt. Diese von Weißen geprägte Großgeschichte aber fungiert in „The Butler“ nur als blasse Parallelfolie für den dramatischen und mühevollen Aufbruch der Schwarzen in die Mitte der Gesellschaft. Daniels erzählt sie als packenden Vater-Sohn-Konflikt, als stets perfekt geerdetes Familiendrama, und daraus bezieht der Film in erster Linie seine Energie.

Forest Whitaker spielt den Diener weißer Herren mit feiner Würde und kraftvoller Bescheidenheit – ob er nun weißen Schulklassen Gebäck auf dem Teller oder einem verdauungsgestörten Präsidenten das Pflaumensaftglas ins Toilettenkabinett reicht. Stets beachtet er die ungeschriebenen Butler-Gesetze des „Nichts hören! Nichts sehen!“ und zugleich das antizipierende Zur-Stelle-Sein, sobald Hilfe vonnöten ist. Immer mehr wird er so zum Gesprächspartner oder auch nur zur schwarzen Beispielfigur der vom schlechten Gewissen ihrer Rassenpolitik geplagten Machtmenschen. Natürlich ändert der Diener nichts, weil er keinen Einfluss nehmen darf; doch schon sein pures – und loyales – Dasein beeindruckt und leitet, vielleicht, ein leises Umdenken ein.

Für seinen studierenden älteren Sohn Louis (David Oyelowo) aber ist der Vater nur der servile „Onkel Tom“, der nützliche Idiot der herrschenden weißen Klasse. Louis schließt sich dem gewaltlosen Protest Martin Luther Kings gegen die Apartheidpolitik in den Südstaaten an und wechselt bald zu jener Militanz, wie sie Malcolm X und die Black Panthers verkörpern. Der Riss durch die Familie wird noch tiefer, als Louis’ jüngerer Bruder Charlie (Elijah Kelley) begeistert nach Vietnam geht und dort umkommt. Die Mutter, die zwischen den Männern der Familie zu vermitteln sucht, geht daran fast kaputt: Talkshow-Legende Oprah Winfrey gibt sie, in einer ihrer seltenen Kinorollen, mit unermüdlicher Wärme.

Diese Kleinfamilie, in der der Vater den großen Sohn über Jahre verstößt und die Mutter in den Alkohol flieht und dabei zeitweilig die Nähe eines schmierigen Nachbarn sucht, ist der exemplarische Schauplatz massiver sozialer Verstörung, unter der die Millionen umfassende schwarze Minderheiten-Großfamilie leidet. In ihr, getragen von faszinierenden und faszinierend undramatisch spielenden Akteuren, vollzieht sich der eigentliche Aufbruch zu Schmerzbewältigung, Versöhnung und generationenübergreifendem Selbstbewusstsein. Schlichte Happy Ends sehen anders aus. Hier aber, auf der mittleren Schwelle einer schwer erkämpften Integration, stehen – so signalisiert es Lee Daniels in aller Vorsicht – die Schwarzen in den USA heute.

Hinter die so zurückhaltende wie nachhaltige Vermittlung dieses afroamerikanischen Geschichtsbilds tritt sogar der griffige Vordergrund der „true story“ zurück, auf der der Film basiert. Nur wenige Tage nach der ersten Wahl Obamas zum Präsidenten, am 7. November 2008, erschien in der „Washington Post“ Wil Haygoods Artikel „A Butler Well Served by This Election“ – über den auf einer Baumwollplantage aufgewachsenen Eugene Allen, der bereits unter Harry S. Truman im Weißen Haus anfing und dort zum Butler aufstieg, bis er mit Mitte 60 seinen Abschied nahm. Sofort erkannten die Studios in dieser Vita einen Filmstoff. Aber es dauerte Jahre, bis daraus „The Butler“ mit der Hauptfigur Cecil Gaines wurde – wobei das Drehbuch die „wahre Geschichte“ des Präsidentendieners ausschmückt und deutlich modifiziert.

So finden sich, heißt es auf der Webseite slate.com, in Allens Biografie keine Hinweise auf ein Kindheitstrauma, wonach Eugenes Mutter von einem weißen Aufseher vergewaltigt und sein vorsichtig aufbegehrender Vater prompt erschossen wurde. Auch sei die Filmfigur des älteren Sohns, der vitale Konterpart des Vaters, komplett erfunden, und der jüngere habe die Kriegshölle von Vietnam immerhin überlebt. Und dass der echte Butler – im Abstand von 18 Jahren! – zweimal um eine Gehaltserhöhung eingekommen sei und diese bei seinem Vorgesetzten mit diskretem Hinweis auf Präsident Reagans persönliche Fürsprache für sich und seine Kollegen durchgesetzt habe, gehöre ebenfalls ins Reich der Legenden.

Aber es hätte so sein können. Oder sollen. „The Butler“ ist nicht die Geschichte, sondern eine Geschichte, eine gute zudem. Das vor allem ist es, was im Spielfilm zählt.

"The Butler" kommt am Donnerstag ins Kino.

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