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Eines Tages, oh Baby, werden wir alt sein: Der Vampir Viago (Taika Waititi) hat auch mit 379 Jahren noch keine Lust auf Putzen.

© Kane Skennar

Filmkritik: "What We Do in the Shadows": Interview mit einigen Vampiren

Undead, before it was cool: Die Vampire in der Mockumentary "What We Do in the Shadows" sind keine virilen Helden, sondern vor allem unbeholfene, aus der Zeit gefallene Hipster. Das macht den Film zur perfekten Splatter-Komödie - aber mehr noch zu einer hochaktuellen Zeitgeist-Kritik

Es gibt Dinge, die lernt Viago nie, auch nicht mit 379 Jahren Übung. Wenn sich Viago ein Mädchen einlädt, dann weiß er nie so richtig, wie er sie bezirzen soll. Den Moment, wo sie den ersten Kuss erwartet – er aber an den ersten Biss denkt –, den ruiniert Viago, indem er auf der preußischen Chaiselongue (kein Erbstück!) Handtücher auslegt. Das nützt aber nur selten, denn im Beißen ist Viago ähnlich dusselig: Bevor er einen Tropfen Blut saugt, spritzen bereits Fontänen quer durch das WG-Zimmer. Das Mädchen ist tot, das Sofa wieder mal hinüber, der Vampir bleibt hungrig.

Viago ist einer jener herrlich unbeholfenen Blutsauger, die in „What We Do in the Shadows“ auf die Menschheit, respektive deren Lachmuskeln losgelassen werden. Der Film ist im Stil einer Reality-Doku gedreht und beobachtet den ewigen Alltag von Viago und seinen WG-Genossen Deacon (183), Vlad (862) und Petyr (ganze 8000 Jahre alt). Alle haben ihre Wurzeln im alten Europa und suchten irgendwann ihre Ruhe im fernen Neuseeland.

Nun ziehen sie in ihren muffigen Mänteln durch das nächtliche Wellington und versuchen in Clubs zu kommen oder der großmäuligen Werwolf-Gang aus dem Weg zu gehen. Sie sind weder sexy noch allzu clever, schon gar nicht glitzern sie im Sonnenlicht wie die larmoyanten „Twilight“-Vampire. „Eigentlich sind sie totale Nerds“, sagt Taika Waititi.

Waititi, 38, ist ein neuseeländischer Komiker und Regisseur. „Shadows“ hat er gemeinsam mit seinem Comedian- Kumpel Jemaine Clement erdacht und gedreht. Auch spielt er den Viago als einen hippeligen, norddeutschen Adelssohn. Anders als der grummelige Vlad (man kennt ihn auch als den „Pfähler“) oder der großkotzige Deacon („Ich war mal Nazi-Geheimwaffe“) sucht Waititis Vampir die Harmonie. So trommelt er die WG an den Küchentisch, um über den eingestaubten Abwasch zu beraten oder beim Streit um Jungfrauen zu schlichten.

"Shadows" läuft in der Jugendsektion der Berlinale - wohl als never ending Coming-of-Age-Film

Auch wenn das alles mit Augenzwinkern dokumentiert wird – die Bilder sind zuweilen drastisch. Dennoch läuft „Shadows“ in der Jugendfilmsektion. 2010 gewann Waititi mit „Boy“ den Berlinale-Jugendpreis, 2011 kehrte er als Jurymitglied zurück. „Ich glaube, die deutschen Kids sind sehr erwachsen“, sagt Waititi, anders als zum Beispiel amerikanische Zuschauer könnten sie auch mit schwierigen Inhalten umgehen. Und schwierig ist Waititis Vampirfilm auf den zweiten Blick tatsächlich: „Eigentlich geht es um ein paar Typen, die irgendwie den Anschluss an die Gesellschaft verpasst haben.“

Da sind also welche, die unbedingt dazugehören wollen – aber gleichzeitig für ihre altmodischen Klamotten ausgelacht werden. Im besten Falle sind sie retro, Hipster, die immer sagen können: „Ich kannte das, bevor es cool war.“ Meistens klammern sich die Vampire aber an Gewohntes, die weite Welt da draußen birgt nur Enttäuschungen. Für die ewig Lebenden dreht sich der Globus zu schnell, als dass man bei jeder Smartphone-Generation zu den „early adoptern“ gehören kann.

Dieses Bewahren einer eigenen Haltung – bei gleichzeitiger Suche nach einer Zugehörigkeit – das zwingt die „Shadows“-Vampire in eine Art never ending Coming of Age.

Das macht den Film wiederum passend für die Jugendsektion: denn Teenager seien auch nicht viel anders als Vampire, meint Waititi. „Was tust du, wenn du ewig lebst“, philosophiert der Regisseur, „fängst du sofort an, alle Sprachen dieser Welt zu lernen? Oder sagst du dir: Damit fang ich morgen an?“

Der Vampirfilm ist Mockumentary und zugleich Verbeugung vor den Klassikern des Genres

Dass Waititi einen Film über Vampire machen möchte, wusste er schon lange. 2005 begann er mit dem Drehbuch, „vor dem ,Twilight’-Hype“. Waititi wollte den Vampirfilmen, mit denen er groß wurde, ein Denkmal setzen. Je nach Lebens-, pardon Totenalter sehen die Vampire der WG denn auch aus wie aus „Nosferatu“ (1922), ein B-Movie- Dracula der 60er oder der Bösewicht aus „Fright Night“ (1985).

Gedreht wurde kaum nach Skript, sondern vor allem improvisiert. „Die Darsteller wussten, was passieren soll“, sagt Regisseur Waititi, „aber sie sollten eigenständig reagieren.“

Der Optik der Reality- Dokumentation hilft das ungemein: Wenn die Vampire vor einer Diskothek um Einlass bitten – ein alter Mythos besagt, dass die Untoten nur auf direkte Einladung ein Haus betreten können –, dann argumentieren sie vor den Türstehern genauso unbeholfen wie bettelnde Teenager. Und als ihnen ein WG-Neuzugang die Technologie des 21. Jahrhunderts erklärt, sehen sich die Blutsauger stundenlang heulend das immergleiche Youtube-Video an. Die Bilder zeigen: einen Sonnenaufgang.

13.2., 16.30 Uhr (Cinemaxx 3), 16.2., 17.30 Uhr (Cinemaxx 1)

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