zum Hauptinhalt
Richtiger Dreh. Auch Jaume Collet-Serras Thriller "Unknown" wurde vom Studio Babelsberg produziert.

© Kinowelt

Filmstudio Babelsberg: Die ewigen Gärtner

Seit fast hundert Jahren wird im Studio Babelsberg für die Zukunft des Kinos geackert – mit Blüte- und Dürrezeiten. Neuerdings ruht alle Hoffnung auf der Postproduktion.

Auf den Tag genau 99 Jahre ist das Filmstudio Babelsberg alt: Am 12. Februar 1912 beginnen in einem Babelsberger Glashaus, das an eine ehemalige Kunstblumenfabrik angebaut worden war, die Dreharbeiten für den Stummfilm „Der Totentanz“ mit Asta Nielsen. Bevor zum runden Geburtstag alle Welt zurückschaut auf die bewegte Vergangenheit des ältesten Großatelier-Filmstudios der Welt, ist es Zeit, einen Blick auf die Gegenwart zu werfen. Wobei Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sich kaum trennen lassen an einem Ort, wo sich die G.W.Pabst-Straße und die Quentin-Tarantino-Straße kreuzen, wo modernste Filmtechnik und museale Antiquitäten Seite an Seite stehen.

Das Logo des Studios zeigt den Maschinenmenschen aus Fritz Langs „Metropolis“ – ein Filmklassiker, ein Verweis auf die Geschichte des Studios und das goldene Zeitalter des deutschen Films. Aber doch auch ein Science-Fiction-Film, eine Zukunftsvision und ein technisches Meisterwerk, das seiner Zeit voraus war.

Die Angestellten haben Chefs und Philosophien kommen und gehen sehen, mancher begann seine Karriere in der DDR bei der staatlichen Defa und arbeitet jetzt für einen börsennotierten Global Player. Symptomatisch fürs Filmgeschäft, das von ständiger Anpassung an veränderte Gegebenheiten und neue technische Möglichkeiten gekennzeichnet ist, findet Henning Molfenter: „Filmproduktion bedeutet Umbruch. Wer das nicht mag, der ist im Film falsch.“

Molfenter ist der Chef der Filmproduktionsfirma Studio Babelsberg Motion Pictures. Er kam vor zehn Jahren nach Babelsberg, Roman Polanskis „Pianist“ war dort seine erste Produktion, ein internationaler Erfolg, drei Oscars. Damals war das Studio noch im Besitz des französischen Medienkonzerns Vivendi Universal, 2004 übernehmen die Unternehmer Carl Woebcken und Christoph Fisser das Studio und bringen es 2005 an die Börse. Spätestens jetzt ist Babelsberg mit den anderen großen Off-Hollywood-Standorten gleichauf, mit London, Kanada, Australien. Sich in diesem Wettbewerb zu behaupten, das ist die Herausforderung. Davon, wie es gelingt, Babelsberg für internationale Projekte attraktiv zu machen, hängt die Zukunft des Studios ab.

Die Studiobetreiber hatten das Glück, dass Kulturstaatsminister Bernd Neumann 2007 den Filmförderfonds (DFFF) ins Leben rief. 60 Millionen Euro werden darin jährlich für die Produktion von Kinofilmen zur Verfügung gestellt, die Höhe der Förderung errechnet sich aus dem Produktionsaufwand und kann bis zu 10 Millionen Euro pro Film betragen. Diese müssen nicht zurückgezahlt werden, selbst wenn der Film großen Gewinn macht. „Dieser Anreiz zieht große Projekte an, die sonst nicht kommen würden“, erklärt Molfenter. „Die geben viel Geld aus, insofern geht die Rechnung auf.“

Der DFFF und das Medienboard Berlin-Brandenburg sind wichtige Faktoren für den Standort Babelsberg, aber auch die Konkurrenten haben ihre Argumente. Ohnehin läuft der DFFF Ende 2012 aus, Fortsetzung ungewiss. Langfristig wichtiger sind die Qualitäten des Studios selbst: Dinge, die Babelsberg einfach besser macht als die Konkurrenz.

Einer, der das beurteilen kann, ist Carlos Fidel. Der Londoner hat in den letzten 15 Jahren an rund 30 internationalen Produktionen mitgewirkt, als Assistent von Regisseuren wie Robert Altman, Danny Boyle und Quentin Tarantino, der ihn in einer Minirolle als „Basterd“ vor die Kamera holte. „Der ewige Gärtner“ brachte Fidel vor sechs Jahren nach Babelsberg, er kam immer gern wieder: für „Der Vorleser“, für „Inglourious Basterds“ und zuletzt für den Thriller „Hanna“.

Als Fidel zum ersten Mal nach Babelsberg kam, fand er vieles so vor, wie er es erwartet hatte: Gründlichkeit, Pünktlichkeit, Präzision. Was ihn überraschte, war die Leidenschaft fürs Filmemachen, der ausgeprägte Teamgeist und die Wertschätzung für die Leistung jedes Mitglieds. „Deutsche Crews stecken mehr emotionale Energie ins Projekt“, sagt Fidel, „und das Ergebnis sind Filme, auf die alle Beteiligten wirklich stolz sind.“

Dafür setzt Henning Molfenter auf ein Netzwerk von kompetenten Leuten. Das heißt nicht, dass alles reibungslos abläuft. „Es gibt harte Filme, wo auch mal die Fetzen fliegen. Das sind meistens die besten“, sagt Molfenter. „Aber ich habe bei einer Babelsberg-Produktion noch nie erlebt, dass man mit einem schlechten Gefühl auseinandergegangen ist.“

Zu den Ressourcen gehört auch die benachbarte Filmhochschule HFF. „Wahnsinn, was sich da jeden Tag aus Mitte und Kreuzberg nach Babelsberg in Bewegung setzt“, findet Molfenter. Dieses kreative Potenzial will genutzt werden. Als man feststellte, dass die projektbezogen vermieteten Postproduktionsräume in den letzten fünf Jahren von keiner internationalen Großproduktion genutzt wurden, beschloss man, „einen Generationswechsel einzuleiten“, wie Finanzvorstand Marius Schwarz sagt, und die Räumlichkeiten an junge Existenzgründer, überwiegend HFF-Absolventen, zu vermieten.

Das Sahnestück, die ehemalige Tonabteilung Babelsberg, sicherte sich Anfang des Jahres die Rotor Film GmbH um Martin Frühmorgen, Thomas Neumann und Holger Lehmann: Sie mieteten das gesamte Erdgeschoss vom „Haus 4“ an der Josef von Sternberg-Straße, zwölf Atelierräume, zwei hochwertige Aufnahmestudios, drei Mischungen, darunter die größte Kinomischung Europas, insgesamt rund 1800 Quadratmeter. Die größte Hypothek sind die langfristigen Telefon- und Stromverträge, die noch in den 1990er Jahren abgeschlossen wurden.

Bald wird sich zeigen, ob die Rechnung aufgeht. Ob es gelingt, mit dem Umzug von Berlin nach Babelsberg budgetstarke Projekte zu gewinnen. Frühmorgen, der auf der Berlinale als Sound Designer des deutschen Panorama-Beitrags „Khodorkovsky“ vertreten ist, erhofft sich vom Umzug im Erfolgsfall eine größere Freiheit in der Auswahl von Projekten.

Aber auch im Haus 4, wo an der Zukunft gearbeitet wird, ist die Studiogeschichte greifbar. Leni Riefenstahl hat hier geschnitten, ihr Arbeitsraum ist als Minimuseum erhalten. Auf älteren Technikkomponenten finden sich Aufkleber mit der Aufschrift „Property of Studio Babelsberg“, darüber welche mit „Property of Elektrofilm“. Und über beiden klebt ein dritter – eine alte Pfändungsmarke des Amtsgerichts Potsdam. So etwas wollen sie hier nie wieder erleben.

Internationale Filmemacher sagen: Hier arbeiten die Crews

mit besonders viel Energie

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false