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Kultur: Flagge zeigen

Zum Tod des Architekten Konrad Wohlhage

Seine feinnervigen Zeichnungen sind derzeit in der Galerie Inga Kodeyne (Linienstr. 115, bis 15. 10.) noch präsent, mit denen sich Konrad Wohlhage von der bauorientierten Konstruktionszeichnung weit entfernte. Sie treten in der Doppelausstellung mit den Skulpturen seines Freundes Rolf Lieberknecht in Zwiesprache. Der gebürtige Münsteraner gründete 1983 in Berlin nach seinem Studium in München und Delft mit Hilde Léon ein gemeinsames Büro, in das 1994 Siegfried Wernik als dritter Partner eintrat. Rasch etablierten sich das Trio als konstante Größe in der Berliner Szene und gehörte zu ihren Wortführern. Ihr Architekturbegriff ging schon immer weit über das in der Berliner Diskussion reflektierte Repertoire hinaus. Einbindung in den Kontext ja, aber weniger mit bildhafter, eher mit abstrakter Architektur, die Raum für Bedeutungen und Fantasien offen lässt. Dialog mit der Stadt ja, aber weniger durch Anpassung, eher durch Kontradiktion, durch Ergänzung mit dem Fehlenden, durch Injektion des Neuen.

Auf diese Weise entstanden in der Stadt zahlreiche Bauten von Léon Wohlhage Wernik, die – ohne spektakulär zu sein – aufmerken lassen, Flagge zeigen und eine Bereicherung des Stadtbildes sind: etwa die Renée-Sintenis-Schule in Frohnau oder ein Oberstufenzentrum in Köpenick. Jedem Autofahrer ist das Bürohaus „Zitrone“ an der Stadtautobahn in Halensee bekannt, ein Wahrzeichen und zugleich eine Verkörperung der urbanen Dynamik an diesem Ort. Im Diplomatenviertel entstanden die Bremische Landesvertretung und die Botschaft Indiens, an der Jannowitzbrücke die Zentrale der Sozialverbände.

Ab den neunziger Jahren weitete sich der Blick, es kamen Wohn-, Büro- und Geschäftsbauten auch in München, Stuttgart und Hamburg hinzu, schließlich Wettbewerbserfolge in Übersee. Einen der drei ersten Preise errang das Büro 2004 mit seinem Entwurf für einen Fernseh- und Aussichtsturm im chinesischen Guangzhou, damals als höchstes Gebäude der Welt geplant, dessen Realisierung sich allerdings ein internationales Kommerzbüro gesichert hat. Den größten Erfolg konnten Léon Wohlhage Wernik erst jüngst vermelden, den Sieg im Wettbewerb um die Planung des neuen Regierungsviertels im lybischen Tripolis. Am Freitag starb Konrad Wohlhage mit 53 Jahren an den Folgen einer schweren Krankheit. Falk Jaeger

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