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Kultur: Forum: Lob der Entschleunigung

Zwei Frauen im Café, die eine blond, langhaarig und lebendig, die andere dunkel, mit einem Kurzhaarschnitt, schmal und zurückhaltend. Sie sitzen vor dem Fenster, der Blick fällt auf Bäume, einen kleinen Park.

Zwei Frauen im Café, die eine blond, langhaarig und lebendig, die andere dunkel, mit einem Kurzhaarschnitt, schmal und zurückhaltend. Sie sitzen vor dem Fenster, der Blick fällt auf Bäume, einen kleinen Park. "Mein langsames Leben" beginnt so unspektakulär, wie es sein Titel verspricht, gleichwohl gibt es da eine Tiefenschärfe, eine Aufmerksamkeit für Details, die überrascht. Sie widmet sich nicht nur der Physis der Frauen, sondern auch dem Verlauf des Gesprächs, immer wieder werden sich beide korrigieren, widersprechen, einlenken. Die beiden Frauen sind der dramaturgische Dreh- und Angelpunkt des Films. Sophie wird für ein halbes Jahr nach Rom gehen, mit ihrer Abwesenheit setzt sie den zeitlichen Rahmen. Valerie hingegen bleibt in Berlin, von ihr handelt die Geschichte. Sie zieht um, sie findet einen Freund, sie beobachtet ihre Mitbewohnerin Marie. Auf einen Anruf des Bruders fährt sie nach Westdeutschland, der Vater hat einen Schlaganfall gehabt, wenig später stirbt er. Valerie kehrt zurück nach Berlin, dort wartet am Ende Sophie auf ihre Freundin. Weil sie sich verspätet, beginnt Sophie ein Gespräch mit einem Fremden.

Der Kreis schließt sich nicht, besser gesagt: er schließt sich anders, als man erwartet. Das Leben hat seinen eigenen Takt, das Bedürfnis des Zuschauers nach einer narrativen Geschlossenheit wird enttäuscht. Umso mehr forciert Angela Schanelec, DFFB-Absolventin und ehemalige Schaubühnen-Schauspielerin, die Neugier auf minimale Gesten, scheinbar banale Wortwechsel, kleinste Verschiebungen im Immergleichen. Ein wenig sieht das Berlin, das sie zeigt, wie das Paris von Eric Rohmer aus. Der Aufmerksamkeit für das Alltägliche entspricht eine strenge filmische Form. Die biografischen Hintergründe der Protagonisten bleiben unscharf, so zielt die Kadrage immer mehr auf den Raum zielt denn auf die Personen, die sich darin bewegen. Zufällige Bekanntschaften, Bluts- und Seelenverwandtschaften, Hochzeiten, Beerdigungen, Kinder, Eltern, Ehepartner, Geliebte. Sie treffen an öffentlichen Plätzen aufeinander, die vom Konjunktiv des Lebens sprechen, tatsächlich finden sie sich in objektiv abgesteckten Verhältnissen: Wohnungen, Beziehungen, Verpflichtungen.

Angela Schanelecs spiegeln die Wirklichkeit auf die distanzierte Art, wie man sie sonst nur vom französischen Kino kennt. Ihr reflexiver Blick entsprinngt einer "Lust an der Wirklichkeit, Lust auf einer Suche nach etwas Wahrheit" (Schanelec). "Mein langsames Leben" ist ein tatsächlich langsamer, aber nie langweiliger Film.

Veronika Rall

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