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Hayat

© Berlinale

Forum: Türkisches Früchtchen

Teenagersorgen am Bosporus. Reha Erdem erzählt in „Hayat Var“ vom Leben einer 14-Jährigen in der Türkei.

Wenn der Schmuggler in seinem winzigen Motorboot über den Bosporus rast, dann begibt er sich in ein Verkehrsgewirr aus Tankern und Containerschiffen, Yachten, Fischkuttern und Fähren. Hafenpolizei und Lotsen scheinen nur notdürftig Ordnung ins Chaos zu bringen. Der Schmuggler steuert sein Boot dicht an den Bordwänden entlang. Ein Eimer wird herabgelassen, Schnaps gegen Botendienste oder Marihuana getauscht. Kleine Geschäft, aber sie ernähren den Mann, seinen Vater und die 14-jährige Tochter Hayat.

Hayat wächst mit den Schiffssirenen auf, mit Möwengekreisch und dem Jaulen der Polizeibootsirenen. Nach der Schule wartet sie auf einem verlassenen Kai, bis ihr Vater sie abholt und nach Hause bringt. Unbeeindruckt vom Spritzen der Brandung, Fahrtwind und Sonnenuntergang steht Hayat aufrecht und wortlos im Bug und starrt ins Leere, bis das Boot sich dem hölzernen Steg vor einem baufälligen Haus nähert. Dort lebt Hayat: mit ihrem kurzatmigen, fluchenden Großvater, der abwechselnd Tabakrauch und Sauerstoff inhaliert – ein boshafter, gieriger Greis; und mit ihrem Vater, dem Schmuggler, ein spindeldürrer Kettenraucher, wortkarg, geheimnisvoll und immer abwesend.

Wie ihr Vater spricht Hayat nicht, sie brummt vor sich hin, und manchmal hat sie Atemnot wie ihr Großvater. Das kommt vom Alleinsein; niemand versteht ihre pubertären Probleme. Die wieder verheiratete Mutter hat andere Sorgen, und die fürsorgliche Nachbarin ist distanzlos. Gibt es ein Leben für Hayat? Der Filmtitel beantwortet die Frage: „Es gibt Leben“ lautet ganz einfach die Übersetzung, oder eben auch: Es gibt sie, diese kleine Hayat am Bosporus.

Der Regisseur Reha Erdem dreht nicht zum ersten Mal mit seiner bewundernswürdig professionell agierenden Hauptdarstellerin Elit Iscan, sie war bereits in seinem international vielfach ausgezeichneten Film „Bes Vakit/Times and Winds“ (2006) zu sehen. Aus der Perspektive der Kleinen schildert er eine in erster Linie feindliche Umwelt, in der noch nicht einmal das marode Holzhaus am Wasser Schutz bietet. Reha Erdems Kino mit langen Einstellungen und geduldigen Beobachtungen auf Breitwand schwelgt in Farben, Licht und Ton. Es ist kein Überwältigungskino, das Hören und Sehen vergehen, sondern ganz neu entdecken lässt. Daniela Sannwald

11. 2., 11.30 Uhr (Cinestar 8), 12.2., 20 Uhr (Cubix 9), 14. 2., 20 Uhr (Colosseum 1)

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