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Kultur: Fotografie: Das Gesetz der Serie

Sie haben mehrere Fotografengenerationen mit ihren seriellen Architekturdokumentationen geprägt: Bernd und Hilla Becher. Heute feiert Bernd Becher seinen 70.

Sie haben mehrere Fotografengenerationen mit ihren seriellen Architekturdokumentationen geprägt: Bernd und Hilla Becher. Heute feiert Bernd Becher seinen 70. Geburstag - doch eine Gratulation sollte immer beiden gelten. Schließlich arbeitet das Paar seit 1959 zusammen an den Fotoserien von frontal aufgenommenen Fachwerkhäusern, Wassertürmen, Zechen, Fabrikhallen, Getreidesilos und Hochöfen.

Ihr erstes gemeinsames Projekt war die Dokumentation von Fachwerkhäusern im Siegerland, einem der ältesten Industriereviere Deutschlands, in dem Bernd Becher 1931 geboren wurde. Nach einer Lehre als Dekorationsmaler im väterlichen Geschäft studiert er freie Grafik, Malerei und Typografie in Stuttgart und wechselt 1957 an die Akademie nach Düsseldorf. Becher fotografiert Industriebauten, als er Hilla Wobeser kennenlernt. Die gebürtige Potsdamerin hatte die altmodische Fotografie mit Plattenkamera und Magnesiumpulver zur Ausleuchtung der Innenräume erlernt, bevor sie nach Düsseldorf kam. Die beiden Studenten heiraten 1961. 15 Jahre später wird das Künstlerpaar an den neu gegründeten Lehrstuhl für Fotografie der Düsseldorfer Kunstakademie berufen.

Andreas Gursky, Candida Höfer, Axel Hütte, Thomas Ruff und Thomas Struth - die erste Riege der internationalen Fotokunst wird heute zur "Becher-Schule" gerechnet. Neben dem Handwerk vermitteln die Bechers das Bewusstsein einer konzeptuellen Fotografie als eigenständige Kunstform. Als Referenz werden häufig die Fotografien der Neuen Sachlichkeit genannt, August Sanders "Menschen des 20. Jahrhunderts" oder Karl Blossfeldts "Photografische Pflanzenbilder". Mehr noch speist sich ihr serielles Vorgehen aus der Ästhetik von Concept und Minimal Art. Indem sie "Familien von Objekten schaffen" und diese unter gleichen Lichtbedingungen und aus gleicher Position fotografieren, machen sie Grundformen sichtbar und sensibilisieren den Blick für Abweichungen.

Über ein Drittel der fotografierten Bauten ist mittlerweile zerstört: Das Lebenswerk der Bechers ist auch die Bestandsaufnahme einer aussterbenden Industriewelt. Anonyme Funktionsbauten werden zu Skulpturen; bereits der Titel ihrer ersten Publikation bringt das auf den Punkt: "Anonyme Skulpturen - eine Typologisierung technischer Bauten". 1990 wurde das Künstlerpaar in Venedig mit dem Goldenen Löwen für Skulpturen ausgezeichnet. 1994 erhielt es den Kaiserring der Stadt Goslar, der erstmals für ein fotografisches Werk verliehen wurde. Am Siegeszug der Fotografie als Kunstform ist das Ehepaar Becher maßgeblich beteiligt. Gratulation!

Katrin Wittneven

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