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Fotografie: Der Höllenengel

Ein Zeitalter wird besichtigt: 429 Fotografien des amerikanischen Schauspielers, Regisseurs und Künstlers Dennis Hopper im Berliner Martin-Gropius-Bau.

Wer in den späten sechziger Jahren nach Kalifornien kam, so forderte ein Song, sollte sich Blumen ins Haar stecken. Die Hippies, die sich in einem Stadtteil von San Francisco namens Haight-Ashbury oder im Griffith Park von Los Angeles trafen, wollten mit ihrer Liebe die Welt retten. Doch auf den Fotos, die Dennis Hopper damals machte, erinnern die Love-ins eher an einen großen bösen Hexensabbat. Männer in verfilzten Ponchos rauchen Pfeife, Tänzerinnen werden begafft, Bärtige blasen in Querflöten. Die Gesichter sind ernst und verschlossen, niemand lacht. Ein Schatten liegt über den sonnendurchfluteten Szenen, die Vorahnung von dem, was folgen würde, die Morde von Charles Manson und seiner „Family“ und die Eskalation der Gewalt bei den Rassenunruhen in Amerika und im Dschungel von Vietnam.

Dennis Hopper, der vor zwei Jahren mit 74 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung starb, ist als Filmschauspieler und als Regisseur von „Easy Rider“ berühmt und berüchtigt geworden. Dass er auch ein hochbegabter Fotograf war, beweist die großartige Ausstellung „The Lost Album“ im Berliner Martin-Gropius-Bau. Seine Bilder hat er „Zeittafeln“ genannt, „unendlich und hoffentlich ein Weg, beglückt das Leben in einem neuen Licht zu betrachten und zu sehen, dass Kunst überall ist, in jeder Ecke, die man ins Bild rückt, statt sie einfach zu ignorieren und daran vorbeizugehen.“

Die Retrospektive versammelt 429 Schwarzweißaufnahmen aus den Jahren 1961 bis 1967, kleinformatige Vintage Prints, die Hopper größtenteils selbst abgezogen und 1970 für eine Ausstellung im texanischen Fort Worth arrangiert hatte. Später verschwanden sie in fünf Kisten, bis die Kuratorin Petra Giloy- Hirtz sie vor einem Jahr bei den Recherchen zu einem Buch wiederentdeckte. In Berlin hängen sie nun genauso wie einst in Fort Worth, aufgezogen auf Karton, in Augenhöhe auf die Wand montiert, ein Bilderfries, den man als Erzählung über ein Jahrzehnt lesen kann, dessen Kämpfe und Aufbrüche die Welt bis heute geprägt haben. Nur das Plexiglas, hinter dem die Bilder jetzt zu sehen sind, ist neu. Es verleiht der Ausstellung die Aura einer Zeitkapsel.

Hopper hat nur ein paar Jahre lang mit dem Fotoapparat gearbeitet, aber in dieser Zeit war das Fotografieren seine Obsession. Brooke Hayward, die erste seiner fünf Ehefrauen, schenkte ihm 1961 eine Nikon-Kamera, die er bis zur Arbeit an „Easy Rider“ immer bei sich hatte. „Alle meine Freunde verspotteten mich als Touristen“, sagte er später. Nachdem er mit dem Regisseur Henry Hathaway aneinandergeraten war, war der einstige Jungstar, der mit James Dean „Rebel Without A Cause“ gedreht hatte, in Hollywood zur Persona non grata geworden. Geld verdiente er nicht mit der Fotografie, aber sie verschaffte ihm Freiheit. Die Kamera begleitete Hopper bei Besuchen in der New Yorker Factory von Andy Warhol, bei Treffen mit Freunden wie Robert Rauschenberg, Ed Ruscha oder Paul Newman, bei Reisen nach Mexiko und London und bei seinen Fahrten als Unterstützer der Bürgerrechtsbewegung durch die Südstaaten.

Dennis Hopper erweist sich in seinen Fotos als großer Desillusionierer, sein Blick ist scharf und gnadenlos. Überall gärt es, vom amerikanischen Traum ist nicht viel übrig. Hopper zeigt eine Welt, die, wie er selbst formulierte, „brannte“. Weiße Rednecks verhöhnen die vorbeifahrenden Busse der Bürgerrechtsaktivisten, schwarze Familien sitzen auf heruntergekommenen Holzveranden, behelmte Polizisten gehen bei den „Sunset Boulevard Riots“ gegen Demonstranten vor, Rocker von den „Hells Angels“ tragen Hakenkreuzabzeichen, die ihre Väter vielleicht einst in Europa erbeutet hatten. Am Strand von Malibu weht ein Sternenbanner zwischen schäbigem Strandgut, im Vordergrund liegt ein Gewehr.

„Biker waren die modernen Cowboys, damit kannte ich mich aus, weil ich von einer Farm stamme und viele Western gesehen habe“, hat Hopper gesagt. „Darum war das alles ein Teil von mir: reisen, am Lagerfeuer sitzen, aufsatteln und weiterziehen. Ich war ein Hippie.“

Martin-Gropius-Bau, bis 17. Dezember, Mi–Mo 10–19 Uhr, Di geschlossen. Der Katalog (Prestel Verlag) kostet 24 €.

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