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Kultur: Frauen und Männer

KUNST

Eigentlich müssten alle Arten von Puppen mittlerweile ja von der Emanzipation aus den Kinderzimmern gespült worden sein. Dienen sie doch dazu, kleine Mädchen mit allerlei hausmütterlichen Tugenden zu sozialisieren. Und doch spielen bis heute Puppenmütter rund um den Globus mit ihren Miniatur-alter egos. Auch die kleinen Mädchen in Afrika sollen mit Puppen auf ihre spätere Rolle in der Gesellschaft vorbereitet werden. Aber im Gegensatz zu ihren europäischen Geschlechtsgenossinnen spielen sie nicht mit goldgelockten, engelsgleichen Wesen, sondern, wie die Ausstellung im Ägyptischen Museum „Ritual oder Spiel?“ zeigt, mit Fruchtbarkeitssymbolen (Schlossstr. 70, bis 2. Mai): etwa mit männlichen Geschlechtsorganen, die Kleidchen tragen, bunte Perlen auf Kopf haben und mit lustigen Knopfaugen in die Welt blicken.

Diese ungewöhnlichen Puppen dienen nicht nur dem kindlichen Spiel, sondern verkörpern Fruchtbarkeitsrituale. Sie werden von heranwachsenden Mädchen zur Förderung der Gebärfähigkeit benutzt. Gelingt es einer Frau nicht, schwanger zu werden, bringt sie die Puppe zu einem örtlichen Heiler, der das Phallussymbol mit den nötigen Wunderkräften versieht. Für das Ägyptische Museum sind die Geschöpfe reizvoll, weil ihre archaischen Formen Jahrtausende alten Figuren aus dem alten Ägypten ähneln. Für den ethnologisch unkundigen Besucher sind sie zwar kaum voneinander zu unterscheiden, Experten erkennen hierin jedoch einen Beweis für die kulturelle Nähe zwischen dem alten Ägypten und heutigen Afrika, ein Zusammenhang, der in der Ägyptologie häufig außer Acht gelassen wird. Und trotzdem vermag auch diese Ausstellung den Grund für diese Ähnlichkeiten nicht letztgültig zu klären. Statt dessen sollen Fantasie und Kombinationsvermögen der Besucher angeregt werden. Das Konzept geht auf, denn die Ausstellung lebt zum großen Teil von der Skurrilität ihrer Objekte.

Michaela Soyer

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