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Viererbande. Das Galeristinnentrio Eva Hübner, Gabi Ivan und Kathrin Schrader (von links). Auf dem Stuhl sitzt Julia Ebner, eine der vier an der Eröffnungsschau beteiligten Künstlerinnen.

© Doris Spiekermann-Klaas

Frauengalerie in Friedrichshain: Sparkasse der Künste

Tschüs Mitte, hallo Friedrichshain: Die einzige Frauengalerie Berlins stand nach der kurzfristigen Kündigung vor der Schließung. Jetzt hat die Inselgalerie wieder eine Zukunft.

Mausgrau mit weißen Würfeln. Oh ja, die Auslegeware sieht stark nach Sparkassenfiliale aus. Doch die lichten Räume im Erdgeschoss einer Platte in der Petersburger Straße haben sich vom schnöden Geldumschlagplatz zur Kulturstätte gemausert. Eine noch vor wenigen Monaten um ihre Existenz bangende Institution ist eingezogen: Berlins einzige Frauengalerie. Das ist noch mal etwas anderes als das ohne festen Ausstellungsort arbeitende „Frauenmuseum“ oder das der Erinnerung an vergessene Künstlerinnen gewidmete „Verborgene Museum“. Die Inselgalerie zeigt ausschließlich Gegenwartskünstlerinnen.

Am angestammten Standort – in der Torstraße – musste die Galerie weichen. Weil die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) eine Strangsanierung plante, kündigte sie der Inselgalerie kurzfristig. Nach einem entsetzen Aufschrei der Kulturszene, einer kämpferischen Protestkampagne der Galeristinnen und tatkräftiger Unterstützung von Senatsmitgliedern und Bundestagsabgeordneten bot die WBM schließlich ein Ausweichquartier an. Nun läuft die erste Ausstellung auf den in Rekordtempo mit jeder Menge ehrenamtlicher Hilfe hergerichteten 168 Quadratmetern Schaufläche. Und der etwas struppige Vorplatz am verkehrsumtosten Rondells namens Bersarinplatz hat erstmals eine Vernissage gesehen.

Juliane Ebner, die in Begleitung ihres Hündchens Rosa hereinrauscht, schwärmt immer noch vom bodenständigen Büfett. Die 1970 in Stralsund geborene Malerin und Multimediakünstlerin stellt zusammen mit Mirella Pietrzyk, Susanne Britz, Fanny Galera ihre Arbeiten in der bis zum 29. Juli laufenden Auftaktschau „Spar, Insel, Galerie, Kasse“ aus. Es ist die nunmehr 240. Ausstellung der Galerie. Ebner, deren wunderschöner, handgezeichneter Animationsfilm „Schwebeteilchen“ mitsamt einigen Originalbildern gezeigt wird, hat auch schon vorher in der Inselgalerie ausgestellt. Eine Seltenheit. Erklärtes Ziel des Trägervereins, der aus 15 Künstlerinnen bestehenden Berliner Fraueninitiative „Xanthippe“, ist es nämlich, möglichst vielen Künstlerinnen ein Forum zu bieten. Stilistisch wird dabei außer Fotografie alles erlaubt. Und da die 1992 von Ilse-Maria Dorfstecher ursprünglich als Plattform für die mit den Gesetzen des Kunstmarkts wenig vertrauten Ost-Künstlerinnen gegründete Galerie das Netzwerken ebenso großschreibt wie die Kommunikation, gibt es niemals Einzel-, sondern immer Doppelausstellungen. Zur Feier des Einzugs wird das Prinzip mit einer Viererriege getoppt und kontrastiert unbekümmert eine witzige Installation mit poetischen Plastiken und surrealen Bildern.

Frauenförderung ist ungebrochen zeitgemäß

Dass die Frauengalerie keine kommunale Einrichtung, sondern eine mit jährlich 51 000 Euro Senatsförderung und bescheidenen Eigenmitteln wirtschaftende Vereinsgalerie ist, ist Julia Ebner erst angesichts des Umzugsdramas aufgefallen. Für ein widerborstiges Element im Kunstmarkt hat sie den Laden jedoch schon immer gehalten. „Hier versucht niemand, mit der Kunst reich zu werden. Da atmet man als Künstlerin erst mal auf.“

Den Ansatz, als Gegenpol zur männerdominierten Kunstszene zu fungieren, findet sie nötig, aber zweischneidig. „Ich stelle hier aus, obwohl es ein Frauenkonzept ist, muss ich ehrlich sagen.“ Beim Stichwort ,Frauengalerie‘ glaubten viele, das sei eine Spielwiese für Frauen, die sich auf dem freien Markt nicht durchsetzen könnten, glaubt sie. „Ich muss stark genug und vor allem cool genug sein, um in einer Frauengalerie auszustellen.“ Von der Traditionslinie, in der die Inselgalerie steht, fühlt sie sich sehr geehrt. „Hier haben DDR-Heldinnen meiner Mütter- Generation wie Emerita Pansowová und Núria Quevedo ausgestellt“, sagt sie. „Solche Namen stehen über jeder abfälligen Bezeichnung als ,Frauenladen‘.“

Dass diese Art der – übrigens längst gesamtdeutsch und international ausgerichteten – Frauenförderung ungebrochen zeitgemäß ist, lehrt sogar ein Kunstereignis wie das Street-Art-Projekt „The Haus“. Das findet zumindest Kathrin Schrader, die sich inzwischen auch dazugesetzt hat. Sie gestaltet das mit Lesungen, Konzerten und Filmen bestückte Veranstaltungsprogramm der Inselgalerie, das die Galerie über die Ausstellungen hinaus auch als Kultursalon etabliert hat. Schrader hat sich die Mühe gemacht durchzuzählen, wie viele Arbeiten bei „The Haus“ von Künstlerinnen stammten. Und das Ergebnis? „Gerade mal 20 Prozent.“ Offensichtlich können auch Verbände wie der Verein der Berliner Künstlerinnen, der jüngst 150. Bestehen feierte, oder die Künstlerinnenvereinigung GEDOK, deren neuer Berliner Vorstand zur Freunde der Inselgaleristinnen geschlossen zu deren Wiedereröffnung erschienen ist, die Männerlobby im Kunstbetrieb brechen.

Solidaritätsadresse statt Sozialstation

Umso dringlicher sei es, möglichst viele Künstlerinnen sichtbar zu machen, findet denn auch die neue Insel-Chefin Eva Hübner, eine erfahrene Kulturmanagerin. Vom Verkaufen der Werke mal gar nicht zu reden. Das gelingt der absichtlich nicht auf Messen vertretenen Galerie zwar auch, „aber eher zufällig“, merkt Kuratorin Gabi Ivan an. Mit den beiden ist das Leitungsteam nun vollständig am Tisch versammelt. „Wir wollen, dass sich hier auch Künstlerinnen ausprobieren können, die noch keinen großen Marktwert haben“, sagt Hübner. Trotzdem muss die Qualität, muss der Ausstellungskontext stimmen. „Als Sozialstation haben wir uns noch nie verstanden“, fasst Ivan den künstlerischen Anspruch lakonisch zusammen. Als Solidaritätsadresse dagegen durchaus.

Das lässt sich auch am Teamgeist spüren, der durch das eilig umgerüstete Kreditinstitut weht. Duzen und anpacken ist selbstverständlich. Die Inselgalerie sei weder „elitär noch subkulturell“, sagt Kathrin Schrader. Und die weibliche Exklusivität der Kunst erstreckt sich weder auf die Mitarbeiter noch auf die Besucher. Männer sind erwünscht. Gerade laufen zwei vorbei. Gemeinsam mir vier Jobcenter-Kräften bildet das Leitungstrio auch schon das gesamte Galeriepersonal. Kaum ist der gröbste Umzugsstress überstanden, sind sie beim Blick aus den bodentiefen Fenstern schon dabei, Pläne für die Eroberung des Bersarinplatzes durch Kunstaktionen zu schmieden. Sicher würden sie nach Ende der dortigen Sanierung gern in die mit deutlich mehr kunstaffinem Laufpublikum gesegnete Torstraße zurückkehren. Eine Option besteht. Doch wer weiß, wie teuer die Miete wird. Und Insellagen setzen schließlich ungeahnte Energien frei.

Inselgalerie, Petersburger Straße 76A, Friedrichshain, Di–Fr 14–19 Uhr, Sa 13–17 Uhr. Am Do 15.6., 19 Uhr, liest Tanja Dückers

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