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Frauentrick: Merkel und der Wulff

Will er wirklich nicht oder will er gerade doch? Es ist eindeutig der Frauentrick, mit dem der gestandene Ministerpräsident und stellvertretende CDU-Chef Christian Wulff die Gemüter verwirrt. Tissy Bruns über neue Kampftechniken der mächtigen Männer.

Warum, fragt der Sohn nach dem Krach mit seiner Freundin, warum seid ihr Frauen bloß so, dass ihr immer Ja sagt, wenn ihr Nein meint, und wenn man dann Nein versteht, dann habt ihr doch Ja gemeint? Die Mutter schweigt, natürlich. Über subversive weibliche Herrschaftstechniken gibt sie nicht mal dem eigenen Sohn Auskunft.

Männer jedoch, das ist der bestürzende Befund, wenden diese Techniken neuerdings einfach an. Landauf, landab wird darüber gestritten, was Christian Wulff mit seinem Bekenntnis meinte, er sei als Kanzler ungeeignet, weil ihm der unbedingte Wille zur Macht fehle. Will er wirklich nicht oder will er gerade doch? Es ist eindeutig der Frauentrick, mit dem der gestandene Ministerpräsident und stellvertretende CDU-Chef die Gemüter verwirrt. Und das wenige Wochen, nachdem er den Eindruck erweckt hat, er trachte heimlich nach dem Bundesvorsitz der CDU. Auch in diesem Fall kam ja ein weibliches Kampfmittel zum Einsatz: die Suggestion von Machtstreben durch Verzicht. Wulffs Verzicht auf den CDU-Vorsitz in Niedersachsen.

Und wer hat Wulff verraten, wie Frauen siegen? 2002 verzichtete Angela Merkel auf die Kanzlerkandidatur. Allerdings in letzter Minute, so spät, dass sie selbst den stärksten Mann der männlichen CDU-Verschwörertruppe aus der Reserve locken konnte. Roland Koch wurde öffentlich nervös – die künftige Bundeskanzlerin lächelte nur still in sich hinein. Sie musste gar nichts mehr tun, um den Anden-Pakt der Jungsgarde zu zerschlagen, die sich auf Koch als den ersten Mann in der Nach-Kohl-CDU geeinigt hatte. Die Herren haben das selbst erledigt.

Die CDU-Generalsekretärin Merkel war es, die als Kämpferin mit offenem Visier in der „Frankfurter Allgemeinen“ zur Emanzipation von Helmut Kohl aufrief, als die Anden-Verschwörer sich nicht trauten. Merkel trat in tiefster Krise als Trümmerfrau an die Spitze der CDU und wusste, wie man durch Abwarten, Schweigen, mirakulöse Botschaften und Verzicht nach oben kommt. Merkel hat in der Nischengesellschaft DDR die subversiv weibliche und bei Kohl die traditionell männliche Machtausübung beobachtet, studiert und anzuwenden gelernt.

Keine dumme Idee, wenn die gescheiterten Verschwörer nun ihrerseits versuchen, ihr Kampfrepertoire zu erweitern. Offenbar studieren und beobachten sie die Machtausübung der ersten Frau im Kanzleramt schon seit geraumer Zeit. War es nicht im Jahr 2002 der schneidige Friedrich Merz, der das Nachhutgefecht eines verlorenen Machtkampfs wie ein Mädchen geführt hat? Niemals zuvor hat sich ein mächtiger Mann öffentlich beschwert, wie gemein ihm doch sein Amt, in diesem Fall der Vorsitz der Bundestagsfraktion, geklaut worden sei. Dabei hatte Merkel nur auf ganz gewöhnliche Männerart das Fell des Bären mit Stoiber geteilt. Ihr Verzicht, Stoibers Niederlage, Fraktionschefin Merkel: saubere Operation.

Merz war der Pionier, der scheitern musste. Heute ist vorstellbar, dass Roland Koch eine schwarz-grüne Koalition in Hessen durch Verzicht auf sein Amt ermöglicht und anschließend die Belohnung bei Merkel in Berlin erbittet.

Die Macht, die aus der Schwäche kommt? Da reicht es nicht, den Schwächling zu geben. Wulffs Intervention fehlt das entscheidende Element. Wer wird nervös, wer rauft sich hier die Haare und fragt verzweifelt, warum Männer eigentlich immer so sind, dass sie Ja sagen und Nein meinen? Merkel schweigt.

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