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Kultur: Freihandel schafft Unfreiheit

Die WTO-Konferenz von Cancun – und die Gefahren für die Kultur

Das Scheitern der WTO-Konferenz in Cancun verschafft der dort verhandelten Kultur nur eine Atempause: Diese Warnung sprachen der Deutsche Kulturrat und ATTAC gestern auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in der Berliner Volksbühne aus. Die GATS-Verhandlungen über audiovisuelle Dienstleistungen und über Kulturdienstleistungen würden ebenso wie die zu anderen Themen der Welthandelsorganisation informell fortgesetzt. Die ungewöhnliche Allianz zwischen der Spitzenorganisation deutscher Kulturunternehmen und Globalisierungsgegnern tritt dafür ein, dass die Kultur nicht dem Markt und dem Profit unterworfen wird. „Die Liberalisierung“, sagt Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, „zielt auf die Beseitigung der staatlichen Unterstützung.“

Dass sich die WTO auch mit Fragen der Kultur beschäftigt, ist wenig bekannt. Doch ausgespart bleiben auf ihren Treffen nur Bereiche, die die Staaten als hoheitliche definiert haben. Die Kultur ist nicht darunter. Für die Vertreter des Freihandels handelt es sich bei ihr um eine Ware wie jede andere auch, der die weltweite Verbreitung zu sichern ist. Schon vor Jahren forderten die USA, deren zweitgrößter Exportartikel audiovisuelle Produkte wie Filme, Videos und Musik sind, die Öffnung nationaler Märkte. Neben den Fördermaßnahmen für nationale Produktionen erregte insbesondere Frankreich mit seinen Quoten für die einheimische Film- und Musikproduktion Ärger. Was die Liberalisierung indes bedeutet, wenn Afrika oder Südamerika nur 50 bzw. 140 Filme jährlich produzieren, deutete Alexis Passadakis von Attac an: das Ende der kulturellen Identität. „Der Freihandel bedeutet Unfreiheit.“

Recht zufrieden zeigte sich Olaf Zimmermann mit Wirtschaftsminister Wolfgang Clement. Er habe vor der Konferenz brieflich versichert, die kulturelle Vielfalt werde nicht gefährdet. Seine Beamten allerdings wüssten nicht einmal, dass in Cancun auch kulturelle Dienstleistungen auf der Tagesordnung standen. Sie gehören nämlich nicht zu den hoheitlichen Aufgaben, die die Staaten als Kern ihrer Souveränität definieren. Zimmermann hofft auf die UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt, die derzeit erarbeitet wird.

Doch die Zeit arbeitet gegen die Kultur. Auch ohne neue Regelungen auf WTO-Ebene, die der Deutsche Kulturrat für sinnvoll, Attac aber für gefährlich hält, drohen ihr Gefahren. „Lock In“ nennt sich im WTO-Kauderwelsch die erste: Werden wie jetzt in Großbritannien Bibliotheken privatisiert, dann stellt die WTO irgendwann die erfolgte Liberalisierung des Marktes fest. Sie ist, so Passadakis, dann nicht mehr rückgängig zu machen. Nach der so genannten „Inländerbehandlung“ wiederum kann ein ausländischer Produzent verlangen, inländischen gleichgestellt zu werden. Ein Theaterproduzent könnte dieselben Subventionen wie etwa Claus Peymann verlangen. Bekommt er sie nicht, dürfte auch anderen der Geldhahn zugedreht werden. „Wenn sich die Inländerbehandlung so weiter entwickelt“, warnt Olaf Zimmermann, „kann sie zum Hebel für breite Subventionskürzungen werden.“

Jörg Plath

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