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Kultur: Fülle und Völle

Eine Rückblick auf die Berlin Art Week.

Die Kunst hat jetzt auch ihre Fanmeile. Sie heißt – oh Wunder! – Auguststraße und demonstrierte zum Auftakt der Berlin Art Week vergangene Woche eindrucksvoll, was geschieht, wenn man in dieser Stadt ein Stück öffentlichen Wegs absperrt und ein paar Bierbuden aufstellt: Es wird gefeiert. Nicht alle kannten den Grund dafür, aber egal. Die ewig besetzte Auguststraße 10 installierte flugs einen Infotisch mit politischen Manifesten, gegenüber konkurrierten die fetten Beats einer mobilen Bühne mit dem offiziellen Showprogramm, und in der dicht gedrängten Menge bot ein fliegender Händler „die letzten Art-Week-Taschen“ aus vermutlich dubioser Quelle an.

Der Senat kann zufrieden sein. Rein quantitativ wirkt die Finanzspritze für den Berliner Kunstherbst wie ein Aufputschmittel. Drei Kunstmessen mit differenziertem Programm, ein Dutzend Eröffnungen in Institutionen und freien Projekträumen, ein Kunstpreis sowie unzählige Off-Events: Das Angebot war selbst für Privatleute nicht zu bewältigen. Zwar fand jede Veranstaltung ihr Publikum, vom massentauglichen Straßenfest bis zum exklusiven Dinner, für das zehn Berliner Sammler je zehn Gleichgesinnte auf internationalem Niveau einluden, um mehr potenzielle Käufer in die Stadt zu locken. An den Rändern der 60 000 Besucher anziehenden Berlin Art Week ließ sich allerdings auch ein gewisser Sättigungsgrad ablesen: In der Überfülle zogen nur die offensichtlichen Events. Leiseres, oft Einfallsreicheres, ging leer aus.

So birgt die große Offensive auch eine Gefahr. Kunst, das weiß man, gibt es in Berlin von Dahlem bis Lichtenberg das ganze Jahr. Der Grund für die Fokussierung auf den Herbst aber hatte ursprünglich einen konkreten Grund: Mit dem Art Forum, der ersten Berliner Kunstmesse, sollte Mitte der neunziger Jahre eine Plattform für den Handel geschaffen werden. Damals wie heute machen vor allem Berlins Galeristen sichtbar, was in der Stadt künstlerisch gerade passiert. Das Art Forum gibt es nicht mehr, wohl aber drei alternative Messeformate, die sich weiterhin ungeheuer anstrengen.

Mit Erfolg: Wer auf der Preview oder der Liste überzeugende Arbeiten im unteren Preissegment anbot, der durfte in den vergangenen Tagen rote Punkte kleben. Die ABC spielt, auch weil die umsatzstärksten Galerien der Stadt teilnehmen, in einer höheren finanziellen Liga. Für jene Galeristen aber, die aus Tokio, New York oder Schanghai anreisen, bleibt die Teilhabe am Kunstherbst ebenso ein großes Wagnis wie für jene, die ohnehin bescheiden haushalten oder aber aufwendige Projekte verwirklichen. Für sie gesellt sich nun zur Konkurrenz um die Käufer noch der Kampf um Aufmerksamkeit.

Was also hält die Berlin Art Week im zweiten Jahr ihrer Kooperative zusammen? Wenig mehr als ihre Dachmarke, muss man feststellen. Dass sich darunter noch vier Institutionen verbünden, um aktuelle Malerei zu inszenieren, lenkt die Aufmerksamkeit einmal mehr um. „Painting forever!“ überstrahlte als Motto das vielfältige Angebot. Dabei sah manches ganz schön zusammengeschustert aus und wird richtig ärgerlich, wenn nicht einmal mehr Kuratoren die Berliner Szene goutieren, sondern sich aus den Galerien Abbildungen schicken lassen, um anschließend wie aus dem Katalog die Werke für ihre Präsentationen zu bestellen.

„Keine Zeit“ war das schlagende Argument der vergangenen Tage. Dabei sollten die zusätzlichen Senatsmittel für Werbung genau wie die Ausstellungshighlights der staatlichen Häuser doch eigentlich jene stützen, die den Kunstherbst überhaupt ins Leben gerufen haben. Das Herz der Veranstaltung schlägt bei den Galeristen als Gründer aller drei aktuellen Messeformate, die sie teils noch mit großem persönlichen Engagement leiten, weil Berlin den gemeinsamen Auftritt braucht. Kulturstaatssekretär André Schmitz bringt das auf den Punkt, wenn er zum Ende der Art Week konstatiert: „Das Zusammenwirken von privaten Galerien und Sammlern mit öffentlichen Museen und anderen Kunstorten ist bundesweit einzigartig“. Zu wünschen ist der Berlin Art Week nun, dass aus dem Zusammengewirkten demnächst ein Konzeptkleid entsteht. Christiane Meixner

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