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Kultur: Für Kaiser und Vaterland

Über Feinde als Helden: „Letters from Iwo Jima“ erzählt die Geschichte aus japanischer Sicht

Iwo Jima hat nichts, was es sich zu verteidigen lohnte, schon gar nicht mit dem eigenen Leben. Vulkangestein, Schwefel, Salzwasser. „Meinetwegen können die Amerikaner die Insel haben“, sagt der bauernschlaue Bäcker Saigo (gespielt vom japanischen Popstar Kazunari Ninomiya), der nichts anderes im Kopf hat, als heil zu seiner Frau und seinem Baby zurückzukehren. Und wird dafür von seinem Brigadenführer ausgepeitscht.

Saigo ist abkommandiert, die 1000 Kilometer südlich von Tokio gelegene Insel zu verteidigen. Wir schreiben das Jahr 1944, die Schlacht im Südpazifik geht auf ihre entscheidende Phase zu, und die Machthaber in Japan sind zu der Erkenntnis gelangt, dass sie Iwo Jima so lange wie möglich gegen die Amerikaner halten müssen, um die Heimatfront auf eine Invasion vorzubereiten.

Das ist der Stoff, aus dem Clint Eastwood seinen außergewöhnlichen Film „Letters from Iwo Jima“ gewoben hat, der in der vergangenen Woche in den USA anlief. Es ist das Zwillingswerk zu „Flags of Our Fathers“. Doch dieses Mal konzentriert sich Eastwood auf die andere Seite, die Japaner, die Feinde, die in „Flags of our Fathers“ nur als Todesschützen in Erdlöchern vorkommen. In ausgewaschenen Farben, grünlich-braunen Sepiatönen erzählt er die Geschichte der Männer, die in den Höhlen der Insel auf den übermächtigen Feind warten.

Ein Himmelfahrtskommando: Die 22 000 japanischen Soldaten dürfen gegen 100 000 Amerikaner weder auf Unterstützung aus der Luft noch vom Wasser aus hoffen. Japanische Luftwaffe und Flotte sind längst handlungsunfähig. Iwo Jima ist der Altar, auf dem japanische Militärstrategen im Namen des Kaisers die Soldaten opfern. Das wird auch General Tadamichi Kuribayashi (Ken Watanabe) klar, der auf der Insel das Kommando führt. Er ist es, der entscheidet, Tunnel in die Berge treiben zu lassen. So gelingt es ihm, die Kämpfe im Frühjahr 1945 über einen Monat hinauszuziehen.

Kuribayashi ist hin und her gerissen zwischen den Traditionen seines Landes und seiner Verantwortung auf der einen Seite und der amerikanischen Kultur, die er in seinen fünf Jahren als Botschafter in den USA schätzen gelernt hat. Durch ihn und die Figur des Saigo erzählt Eastwood seine Geschichte. Kein Action-Thriller und kein kriegstrunkener Streifen, vielmehr fast poetisch und wohltuend klar in seiner Struktur. Anders als in „Flags“ steht hier die Kriegshandlung im Vordergrund, in Rückblenden werden die Familiengeschichten der Protagonisten gezeigt. Am Ende gelingt es nur wenigen, ihre Würde zu bewahren – und noch weniger retten ihr Leben. Am Ende sterben 21 000 japanische Infanteristen, nur etwas mehr als 1000 werden gefangen genommen. Auf amerikanischer Seite werden 7000 Marines getötet, mehr als 20 000 verwundet – die blutigste Schlacht im Südpazifik.

Doch Eastwood hat mehr zu bieten, als die banale Erkenntnis, das Krieg inhuman, grausam und sinnlos ist. Er gibt den japanischen Soldaten Gesichter, Geschichten und Würde. Das ist in den USA ein Wagnis. Dort werden Japaner in Filmen über den Zweiten Weltkrieg immer noch als blutrünstige, das Leben verachtende Selbstmordattentäter dargestellt. Doch Eastwoods Film erzeugt bei den amerikanischen Zuschauern Tränen des Mitgefühls für die japanischen Soldaten. Keine geringe Leistung in Zeiten, da es wieder Konjunktur hat, die Welt in Gut und Böse aufzuteilen.

Das Drehbuch schrieben Iris Yamashita und Oscar-Gewinner Paul Haggis („Million Dollar Baby“, „Crash“) zunächst in Englisch, ehe es ins Japanische übersetzt wurde. Dabei stützen sie sich auf Briefe der Gefallenen, die vor zwei Jahren auf Iwo Jima gefunden wurden. Und die Kritiker in den USA überschlagen sich mit Lob. „Letters from Iwo Jima“sei noch besser gelungen als „Flags of Our Fathers“. Vielen gilt er als einer der Favoriten für die kommende Oscar-Verleihung, bei der er, weil der Film auch in Amerika nur auf Japanisch mit englischen Untertiteln läuft, als bester fremdsprachiger Film nominiert ist.

„Letters from Iwo Jima“ läuft im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale außer Konkurrenz und kommt am 22. Februar regulär in die deutschen Kinos.

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