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Auf der Bank: Christian „Micky“ Mikolajczak, früherer Schalke-Spieler

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Fußball-Doku "Zweikämpfer": Nach dem Abpfiff

Was passiert, wenn Fußballprofis keinen neuen Verein mehr finden? Die Doku „Zweikämpfer“ begleitet arbeitslose Kicker auf der Suche nach neuen Aufgaben.

Von diesem Camp träumt kein Fußballer. Es findet jeden Sommer statt, organisiert von der Vereinigung der Vertragsfußballer (VDV), der Spielergewerkschaft. Und es richtet sich an Profis, die keinen Verein haben, sprich: an arbeitslose Sportler. Drei Monate lang können sie sich fit halten, eine Mannschaft bilden, Spiele absolvieren – und hoffen, dass sie wiederentdeckt werden. Es gibt eine bezeichnende Szene in der Dokumentation, die Mehdi Benhadj-Djilali über dieses Camp der letzten Hoffnung gedreht hat: Da gewinnt das VDV-Team deutlich gegen einen fünftklassigen Gegner, 4:0. Und dann zischt einer der Besiegten nach dem Abpfiff verächtlich: „Ihr seid doch tote Fußballer“.

Der Film, entstanden zwischen 2011 und 2015, verfolgt den Weg von vier Protagonisten: Nico Frommer, der unter anderem für Stuttgart, Gladbach und Frankfurt gestürmt hat. Christian „Micky“ Mikolajczak, ein früherer Schalker. Julian „Lütti“ Lüttmann, der bei verschiedenen Zweitliga-Klubs aktiv war. Und Benjamin „Benni““ Schüßler, ehemaliger U-21-Nationalspieler. Man erlebt sie beim Training zwischen Lagerkoller und Galgenhumor. In der Familie, wo Ehefrau oder Schwiegervater an ihnen zweifeln. Beim Gang zum Arbeitsamt. „Ich wollte das Gefühl des Drucks zeigen, dem sie an allen Fronten ausgesetzt sind“, sagt Benhadj-Djilali. „Deshalb heißt der Film ‚Zweikämpfer’.“

Keine Auffangnetze für jene, die durch die Maschen fallen?

Nicht nur im Profifußball herrscht dieser Druck. Bei Screenings stellte der Regisseur fest, dass sich vom Handwerker bis zum Musiker Menschen aus allen möglichen Milieus mit der Situation identifizieren konnten. Die Geschwindigkeit, mit der man aus dem Erfolgssystem katapultiert werden kann, findet sich überall, ebenso die Fähigkeit, sich trotzdem nicht aufzugeben. Dennoch erlaubt der Film – den die Deutsche Sporthilfe jetzt nochmals in der Berliner Heinrich-Böll-Stiftung zeigt – beklemmende Blicke hinter die Hochglanzfassaden eines Business mit gnadenlosen Gesetzen. Im Film machen sich die vier arbeitslosen Musketiere auf Vermittlung eines holländischen Spielerberaters nach Vietnam auf. Sie hoffen, in Hanoi, wo der Fußball allenfalls dem hiesigen Drittliga-Level entspricht, ein sicheres Auskommen zu finden. Das Testspiel misslingt. Und in Vietnam sind sie ohnehin eher an südamerikanischen Kickern interessiert. Da kehren sich die kapitalistischen Kräfteverhältnisse auf einmal um.

Existieren im Fußball mit seinen Milliardenumsätzen tatsächlich keine Auffangnetze für jene, die durch die Maschen fallen? Sicher, es gibt die VDV, die rund 1300 Mitglieder zählt und sich gern mit Profis wie Benni Höwedes im Spielerrat und Stars wie Robert Lewandowski in der Kartei schmückt. Aber mehr als die Möglichkeit, seine Haut zu Markte zu tragen, bietet das Sommercamp letztlich nicht. Und die DFL, die ständig neue Rekordzahlen meldet? Hat zwar eine Stiftung, die sich um alle möglichen sozialen Projekte kümmert. Aber nicht um arbeitslose Profis. Ein Solidarfonds existiert nicht, wer nachfragt, wird aufs Arbeitsamt verwiesen.

Für Lütti, Benni & Co nimmt die Geschichte dennoch ein gutes Ende, das war Benhadj-Djilali wichtig; sie kommen in neuen Berufen an. Sich breiter aufstellen als Fußballer, die Weiterbildung nicht vernachlässigen, das kann der Regisseur nur dringend empfehlen. Um solche Diskussionen anzustoßen, wurde „Zweikämpfer“ auch schon bei Jugendmannschaften gezeigt. Micky Mikolajczak, der sich zum Brandschutzmeister hat ausbilden lassen, sagt einmal, jeder Junge träume von drei Berufen: Astronaut, Fußballprofi, Feuerwehrmann. „Ich habe zwei davon gemacht.“

Vorführung in Anwesenheit des Regisseurs und mit Darsteller Nico Frommer, diesen Di, 15 Uhr, Heinrich-Böll-Stiftung. Anmeldung erbeten: roemer@boell.de. Auch als DVD, Infos: www.zweikaempfer.com

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