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Kultur: Gabriele Tergits: Nach dem Kriege - Eine frühe Berlin-Novelle erstmals veröffentlicht

Wie der Emigrantin wirklich zumute war, als sie 1948 ihre zerbombte Heimatstadt nach 15 Jahren wiedersah, kann man nur zwischen den Zeilen lesen. In Gabriele Tergits Novelle "Der erste Zug nach Berlin" verlässt eine blutjunge, verwöhnte Amerikanerin "den guten, alten friedlichen Kontinent, um in das wilde, unkultivierte Europa zu fliegen".

Wie der Emigrantin wirklich zumute war, als sie 1948 ihre zerbombte Heimatstadt nach 15 Jahren wiedersah, kann man nur zwischen den Zeilen lesen. In Gabriele Tergits Novelle "Der erste Zug nach Berlin" verlässt eine blutjunge, verwöhnte Amerikanerin "den guten, alten friedlichen Kontinent, um in das wilde, unkultivierte Europa zu fliegen".

Maud soll ihren Onkel als Sekretärin begleiten und mausert sich nebenbei zur Journalistin. In Berlin macht sie verblüffende Erfahrungen, plumpst dabei wie ein reifer Apfel einem eleganten Nazi in den Schoß, um nach ihrer ersten großen Liebe ernüchtert als Erwachsene aufzuwachen.

Mit der ahnungslosen jungen Frau erfährt auch der Leser, wie London seine britischen Eigenheiten gegen die Amerikaner und den Rest der Welt verteidigt, wie sich idealistische Kommunisten die Sowjetunion vorstellen - und was Berliner Taxifahrer über Juden denken. Das alles hat satirische Züge. Dagegen philosophieren in langen, manchmal arg belehrenden Passagen Zeitungsleute über die Verführbarkeit des Menschen oder entwerfen die Vision von den Vereinigten Staaten von Europa.

Die Novelle, um 1953 geschrieben, wurde jetzt erstmals veröffentlicht. Herausgeber Jens Brüning, der das zweisprachige Typoskript in sorgfältiger Forschungsarkeit lektorierte, hat er im Nachwort mit Zitaten aus Tergits Korrespondenzen und Autobiographie den Kontext hergestellt. Nach ihrem zweiten Deutschlandbesuch 1949 nahm die Journalistin ihre frühere Arbeit als Gerichtsreporterin in Berlin wieder auf. Auch für den Tagesspiegel war sie tätig.

Jens Brüning zieht den Vergleich zu Billy Wilders Nachkriegsfilm "A foreign affair". Zu Recht, ist doch das Buch ist in der gleichen, von Optimismus erfüllten Trümmerlandschaft angesiedelt.

Eva Stern

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