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Zentrum des Wissens. Das Rolex Learning Center der ETH Lausanne, entworfen von SANAA.

© Aedes

Galerie Aedes: Flucht aus der Schwere

Onduliertes Glas - ganz ohne Rahmen und Stützen. Im Element des Weißen: das japanische Architektenduo SANAA bei Aedes.

So viel Weiß war nie in der Galerie Aedes. Weiß der Raum, weiß die Architekturmodelle, weiß die auf Bildern präsentierten Bauten. Weiß ist die Farbe der Baukunst des Architektenduos SANAA (Sejima And Nishizawa And Associates) aus Tokio. Die zerbrechlich wirkende Frau, die durch die Ausstellung führt, die japanische Architektin Kazuyo Sejima, ist hingegen schwarz gekleidet – wie viele Architekten.

Zuvor in Fachkreisen bekannt für Museumsbauten in Japan, für das New Museum of Contemporary Art in New York und für die School of Management & Design auf der Zeche Zollverein in Essen, erlebte die 1966 geborene Schülerin des berühmten Toyo Ito im vergangenen Jahr einen kometenhaften Aufstieg. Gemeinsam mit ihrem zehn Jahre jüngeren Partner Ryue Nishizawa erhielt sie den international renommierten Pritzkerpreis und wurde zur Generalkommissarin der Architekturbiennale in Venedig erkoren. Dort konnte sie mit ihrem wieder sehr Architektur- und raumbezogenen Konzept auch viele Skeptiker überzeugen. Erst kürzlich wurde ihr bislang signifikantester Bau, das Rolex Learning Center der EPFL Lausanne eröffnet.

Das 110-Millionen-Franken-Gebäude ist in der Ausstellung am Pfefferberg vertreten, aber auch kleine Arbeiten, wie sie den Beginn ihrer Karriere bestimmten. In die Orte der Insel Inujima implantierte kleine Galerien zum Beispiel, die helfen sollen, den Orten einen neuen Geist zu geben und den Exodus der Jungen aufzuhalten. Das Hochhaus Torre Neruda für Mexiko City ist zu sehen, das seine merkwürdig abgetreppte Form dadurch erhält, dass jedes Geschoss an einer (wechselnden) Seite um eine schmale Terrasse zurücktritt.

In Seoul wird das Hyundai-Card-Konzerthaus gebaut, dessen Fußböden wellenförmigen Bewegungen folgt wie jener in Lausanne und dessen ondulierte Glassfassade so stabil ist, dass sie ohne Rahmen und Stützen auskommt. Die Fassadenteile sind in Originalgröße zu bewundern.

Eine Wand bei Aedes ist mit den Raum erweiternden spiegelnden Aluminiumpaneelen verkleidet, ebenfalls im Maßstab 1:1 „begreifbare“ Fassadenteile der Louvre-Filiale, die zurzeit im französischen Lens im Bau ist.

Bei beiden Bauwerken gehen die Architekten noch über das elementare Weiß hinaus, das sie benutzen, um den Raum auf seine Essenz zurückzuführen. Nun soll der Raum durchsichtig werden, weggespiegelt werden, sich in Licht und Immaterialität auflösen. SANAA lehrt uns, unsere gebaute Umwelt neu zu sehen, zeigt Raumzusammenhänge auf das Wichtige reduziert, Wohn- und Arbeitslandschaften mit Weitblick, unverstellt von massiven Wänden, schwerem Mobiliar und Statussymbolen. Frei atmen, selbst in ihren kunstvoll eingefädelten Häusern in den engsten Tokioter Häuserschluchten, ist das Ziel ihrer Raumerfindungen, es ist wie eine Flucht aus der Erdenschwere in die Leichtigkeit der Immaterialität.

Anlässlich des Auftritts der Weltstars aus dem Fernen Osten und der zweiten SANAA-Ausstellung bei Aedes ist es wieder einmal geboten, den Bau der Erweiterung des Bauhaus-Archivs in Berlin anzumahnen. 2005 hatte SANAA den Investorenwettbewerb gewonnen, seitdem liegen die Pläne in der Schublade.

Der formal äußerst reduzierten, minimalistischen Architektur des Duos entspricht die von Sejima gestaltete Ausstellung, die auf die auratische Wirkung der Exponate setzt und auf mancherlei wünschenswerte verbale Erläuterungen verzichtet. So ist der zur Ausstellung erschienene Katalog nicht nur hilfreich, sondern eigentlich unverzichtbar.

Aedes am Pfefferberg, bis 20. Januar 2011. Christinenstraße 18-19, Berlin. Di-Fr 11 bis 18.30 Uhr, Sa-So 13 bis 17 Uhr. Katalog 10 Euro.

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