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Ganz OHR: Tschígeti, Tschígeti, Tschígeti!

Gregor Dotzauer begeistert sich für das Thelevi aus Ghana

Von Gregor Dotzauer

Auf einmal war das Rasseln und Klacken nicht mehr zu überhören. Tschígeti-bópdagada, Tschígeti-bóp-dagada, Tschígeti-bóp-dagada machte es, minutenlang Tschígeti-bópdagada, bis die Synkopen zu wandern begannen und neue Muster ergaben: ein Fest ungerader Rhythmen, die sich sofort beruhigend im Körpergedächtnis einnisten. Selbstvergessen wirbelten die afrikanischen Händler hinter ihren Ständen zwei miteinander verkettete Kugelpaare zwischen ihren Fingern hin und her und warteten darauf, dass die Passanten dem Ursprung dieses Rasselns und Klackens auf den Grund gehen würden.

Eine halbe Ewigkeit stand das Instrumentenrepertoire auf den sommerlichen Folkloremärkten fest. Es gab die aus Bast geflochtenen brasilianischen Caxixi aus der unübersehbar großen Familie der Shaker. Kalimba und Mbira, die aus Mosambik und Simbabwe stammenden Daumenklaviere mit ihren Metallzungen, tauchten schließlich sogar als schwäbische Nachbauten auf. Der in Chiles Norden beheimatete Rainmaker brachte den Klang des Monsuns nach Europa. Die westafrikanische Djembe lief bei Trommlern im Park den guten alten Bongos den Rang ab, und Heerscharen von hechelnden Weltmusikanten fielen über ein von Termiten ausgehöhltes australisches Eukalyptusrohr namens Didgeridoo her.

Aber wo es bis vor kurzem hilflos röhrte, da macht es jetzt Tschígeti-bópdagada, Tschígeti-bóp-dagada. Das Thelevi kommt aus Ghana, wo es unter weiteren sechs Namen existiert, besteht aus zwei ausgehöhlten Minikürbissen, die durch einen zehn Zentimeter langen Strick verbunden und mit Samen oder Steinchen gefüllt sind. Es kostet, wenn man gut handelt, im Doppelpaar zehn Euro, es rasselt, wenn man es schüttelt, es klackt, wenn man die Kürbisse gegeneinanderschleudert – ein wenig wie die Klickklackkugeln, die als Spielzeug in den Siebzigern Deutschland heimsuchten.

Ein Kinderspielzeug soll zunächst auch das ghanaische Thelevi gewesen sein, bis es sich im Senegal und anderen afrikanischen Ländern ausbreitete, unter Namen wie Kosika, Patica oder Asalato in alle Welt gelangte und – man höre und staune – besonders Japan eroberte, wo einige große Meister anzutreffen sind, wie nicht nur YouTube, sondern auch die Websites der World Patica Association (http://hyoukoma.com/patica/) oder der Asalato Junkies (www.asalato.org) zeigen.

Die Anleitungen (etwa unter www.thelevi.net) sind kaum zu überschauen, doch der Anfänger hat genug damit zu tun, die Grundbewegung mit einer Hand zu üben. Die Handfläche ist dabei mit dem einen Kürbis nach oben gekehrt, die Schnur hängt zwischen Zeige- und Mittelfinger, und mit dem richtigen Spin fliegt der untere Kürbis über die Handkante in die Hand, wo er von Ringfinger und kleinem Finger gefangen wird. Das Gleiche mit beiden Händen und rhythmisch versetzt sind schon die höheren Weihen, aber auch die Voraussetzung dafür, dass man den berauschendsten Klang der Welt zu hören beginnt: Tschígeti-bóp-dagada, Tschígeti-bóp-dagada ...

Mit dieser Folge endet unsere Sommerserie. Es erschienen: Christiane Peitz über Schubert im Regen (13.7.), Andreas Schäfer über Kopfhörer (22.7.), Nadine Lange über Balkan-Pop im Kino (29.7.), Frederik Hanssen über eine Wanderkapelle (10.8.), Jan Schulz-Ojala über eine Uhr im Flur (12.8.), Christine Lemke-Matwey über den Ruf des Berges (18.8.) und Moritz Gathmann über Melodien im Zug (20.8.).

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