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Kultur: Garantiert nicht politisch korrekt - die Rotzlöffel mit Kindchenschema brechen wieder zahlreiche Tabus

Riesige Kulleraugen und ein übergroßer Kopf - die Verhaltensforschung nennt diese Proportionen "Kindchenschema". Sein Anblick, so die Theorie, weckt Beschützer-Instinkte, gegen die wir beinah machtlos sind.

Riesige Kulleraugen und ein übergroßer Kopf - die Verhaltensforschung nennt diese Proportionen "Kindchenschema". Sein Anblick, so die Theorie, weckt Beschützer-Instinkte, gegen die wir beinah machtlos sind. Da können die Kleinen randalieren, in die Hose machen und den Teppich vollkotzen - Agressionen gegen Kleinkinder sind für normale Menschen so gut wie unmöglich. So war es jedenfalls bislang, Doch dieser Film könnte das ändern. Cartman und seine Freunde, die Hauptfiguren, wirken auf den ersten Blick, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Aber die kleinen Rotzlöffel tun bevorzugt Dinge, die Tabu oder zumindest verboten sind. Dinge, die nicht nur in ihrer Heimat, den USA, als politisch unkorrekt gelten. Spätestens wenn sie Wörter wie "Rosettenhengst" aussprechen, wird klar: Gegen Cartman & Co sind die "Peanuts" Erdnüsse.

Die unter großem Medienecho gestartete Serie spielt in einem Berg-Nest gleichen Namens, wo der Nachwuchs sich unter dem Regiment gestrenger Eltern und Lehrer langweilt. Die Zeit vertreiben sich die Racker mit Baby-Bolzen oder dem Schmähen schwuler Hunde. Weil die Zeichentrick-Gören für Kinder ungeeignet sind, laufen sie im Spätprogramm, mittlerweile, nach der ersten Staffel, gleich nahtlos in der Wiederholungsschleife, und in den Läden stapelt sich der Merchandising-Krempel. Kappen, T-Shirts, sogar als Wasserpfeifen gibt es die kleinen Nervensägen. Nun kommt "South Park: Der Film" ins Kino: "Größer, länger, unbeschnitten". Muss das sein?

Es muss nicht. Doch im Langformat trauen sich die South-Park-Macher einige Dinge, die deutsche Landesmedienanstalten mit Sicherheit in Wallung bringen würden: Nazi-Mütter übernehmen die Herrschaft in Amerika und beginnen den 3. Weltkrieg gegen Kanada, Ursprungsland des amerikanischen Fäkalhumors. Überraschenderweise wird die Synchronfassung dem Stoff vollauf gerecht. Sprechen im Original US-Stars wie George Clooney und Isaac Hayes, so sind es in Deutschland die Stimmen von Heiner Lauterbach (Saddam) und Heinz Hoenig ( Teufel). Winona Ryder, die ein altes thailändisches Kunststück mit Tischtennisbällen vorführt, wird angemessen von Jenny Elvers vertont und die große sprechende Klitoris fachgerecht von der Sexmagazin-Moderatorin Lilo Wanders.

Der arme Kenny, das ist unvermeidlich, kommt auch im Kinofilm wieder grausam zu Tode - und landet in der Hölle. Der Teufel, so sehen wir dort, ist ein großer Melancholiker geworden. Nicht etwa, weil die Kinder seinen Job längst viel besser machen. Nein, der Teufel hat Liebeskummer. Er ist schwul und teilt das Bett mit Saddam Hussein, der in dieser Beziehung allerdings nur seine Primär-Bedürfnisse befriedigt. Aber was nützt die schönste unterirdische Sauerei, wenn oben auf der Erde die Diktatur der Politischen Korrektheit herrscht? Um sie zu brechen, gründen die aufsässigen Zwerge schließlich eine Untergrund-Organisation. "Fight For Your Right To Party" würden die Beastie Boys dazu sagen. Aber selbst die wirken im Vergleich zu dieser bösen Brut wie Bachblüten-Therapeuten.In 20 Berliner Kinos; OV im Cinemaxx Potsdamer Platz, Hackesche Höfe und in der Kurbel

Ralph Geisenhanslüke

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