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Kultur: Geh, lass mich doch!

Männer, Frauen und Normalos: Ingolf Lück in der Bar jeder Vernunft

Das Männer-wollen-dies-Frauen-aberdas-Ding ist ja so was von durch! Wer will ernsthaft noch Plattitüden wie Männer schweigen, Frauen quasseln, Männer analysieren, Frauen fühlen oder Männer wollen pokern, Frauen wollen tanzen hören? Einerseits. Andererseits ist der Lebensberatungsbedarf durch komödiantisches Fachpersonal gerade bei der MannFrau-Sache nach wie vor verblüffend hoch. Wer als Comedian etwas auf sich hält, hat Männer-und-Frauen-verstehen-sich-nicht-Einlagen im Programm, selbst die mit Abitur wie Dieter Nuhr oder Horst Evers. Und notorische Bühnenmacker wie der Berliner Spaßproll Mario Barth unterhalten allein mit dem Thema „Typisch Mann, typisch Frau“ einen Industriezweig aus ausverkauften Tournee, Privatfernsehshows und Büchern.

Wie das im 21. Jahrhundert sein kann? Man könnte jetzt ein paar strenge Worte über das nach wie vor entwicklungsfähige Miteinander von Männern und Frauen im Postfeminismus verlieren. Aber weil Sonntag ist und die Sonne scheint, nur so viel: Komödianten bedienen gern eingängigsten Stereotype.

Davor hat auch Entertainer Ingolf Lück keine Angst, der mit seiner Solo-Comedy „One Way Man“ in der Bar jeder Vernunft zu Gast ist. Sein erster Auftritt ist dynamisch, die Deko betont sparsam. Eine Parkbank, ein Mülleimer, zu pompöser Musik tanzt Frank, Lücks Figur, einen betrunkenen Befreiungstanz und schläft anschließend auf der Parkbank ein. Als er vom Gedudel seiner drei Handys geweckt wird, ist er alles los: Job, Freundin, Wohnung. So befreit, gerät der international tätige Salesmanager, 43, für Entsafterdichtungsringe, mächtig ins Schwadronieren. Über seinen Job, Freundin Marion, seinen Handypark, Lieblingsitaliener, Spieleabende und vor allem über seinen Dauerrivalen, das Weichei Dieter, den „Mensch gewordenen November“.

Letzteres ist eine der vielen treffenden Beschreibungen, die der Autor Thomas Lienenlüke Ingolf Lück auf den Leib geschrieben hat. „One Way Man“ ist nämlich nicht nur die von Lück mit viel Körpereinsatz absolvierte Nölorgie eines Verlierers, der Gewinner sein will. Zumindest in der ersten Hälfte ist es auch ein cleveres Stück mit guten Pointen.

Schon im Sat-1-Dauerbrenner „Wochenshow“ war Lück ja keiner dieser begnadeten Naturkomödianten, die Lacher nur durch ihr Gesicht erzielen. Er muss dafür arbeiten und scheut dabei weder Kalauer noch gelegentliche Schlüpfrigkeiten. Die gut kürzbare zweite Hälfte der 90-minütigen Bestandsaufnahme moderner Geschlechterfragen fällt dramaturgisch eher ruppig aus: Held Frank verschwindet, Lück wird plötzlich selber zum Mann, der Kommunikationsstörungen mit Frauen hat. Dazu gibt’s herzerwärmende Über-40-Nostalgia inklusive echter Schallplatten, selbst aufgenommener Musikkassetten und Interrail-Anekdote. Fazit: ein kurzweiliger Abend, an dem Ingolf Lück mal wieder beweist, dass er nichts richtig kann, aber das ziemlich gut. Gunda Bartels

Bar jeder Vernunft, bis 19. August, täglich außer montags

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