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Kultur: Geist des Divertimentos

Das Esterházy-Quartett spielt in den Hackeschen HöfenVON BORIS KEHRMANNSeit letztem Jahr erstrahlen die Hackeschen Höfe in blitzblank restauriertem Jugendstil-Glanz.Zu den ersten Nutzern des reizvollen Ambientes gehörte die Berliner Akademie für Alte Musik.

Das Esterházy-Quartett spielt in den Hackeschen HöfenVON BORIS KEHRMANNSeit letztem Jahr erstrahlen die Hackeschen Höfe in blitzblank restauriertem Jugendstil-Glanz.Zu den ersten Nutzern des reizvollen Ambientes gehörte die Berliner Akademie für Alte Musik.Im Kleinen Festsaal, der mit seinem verschwenderischen, blattgoldenen Blätterwerk auf crèmefarbenen Wänden nicht ganz unironisch zeitlos historisierendes Flair für sich in Anspruch nimmt, verwirklichte sie den längst gehegten Plan, eine Reihe mit Kammermusik in historischer Aufführungspraxis in Berlin zu etablieren.Mit dem fünften Konzert, dem Berlin-Debüt des auf historischen Instrumenten musizierenden Esterházy-Quartetts, kam die laufende Saison der Winterkonzerte in den Hackeschen Höfen zum Abschluß.Der Erfolg ermutigt die Veranstalter, die Reihe im nächsten Winter fortzusetzen. In der Tat eignen sich die räumlichen Dimensionen dieses Salons für Kammermusik ideal.Die Nähe zu den Interpreten erlaubt es, die Konversation zu viert, als die die intime Gattung des Streichquartetts in ihrer klassischen Ausformung gerne beschrieben wird, hautnah mitzuverfolgen.Unerschöpflich gestaltete sich das geistreiche Spiel wechselnder Allianzen, die die vier am Dialog beteiligten Partner in immer neuen Gruppierungen mit größter Leichtigkeit und Freiheit bilden und wieder auflösen, in Haydns "Reiter-Quartett" op.74,3.Von diesem Höhepunkt der Quartettkunst blickte man zurück auf dessen serenadenhafte Anfänge bei Haydn selbst.Sein C-Dur-Quartett aus Opus 1, vermutlich schon Ende der 1750er Jahre für die Grafen Fürnberg komponiert, atmete in seiner kontrastreich-lakonischen Fünfsätzigkeit noch ganz den Geist des Divertimentos, das mit charmanten Menuetten unterhält, mit einem empfindsamen Adagio schmeichelt und mit virtuosen Läufen im Finale verblüfft.Geradezu sinfonische Wirkungen erzielte der Mannheimer Frühklassiker Franz Xaver Richter in seinem ebenfalls in C-Dur stehenden Streichquartett op.5,1.Klangvolle Tutti-Passagen wechseln hier mit solistisch dominierten Episoden ab, wobei die Generalbaß-Technik immer wieder durchbricht.Mozart knüpft in seinem G-Dur-Quartett KV 156 1773 an Haydns Prinzip weitgehend gleichberechtigter Stimmen an.Die temperamentvoll zupackenden Interpretationen des Esterházy-Quartetts machten deutlich, wie hier einerseits immer noch das tänzerische Element der Unterhaltungsmusik nachwirkt, wie andererseits aber das Gefüge emanzipierter Stimmen immer dichter ineinander greift und damit den Weg zur absoluten Musik im modernen Sinne ebnet.

BORIS KEHRMANN

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