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Kultur: Geistes-Blitze

Rot blitzt das bengalische Feuer auf dem vollgestellten Labortisch.Rot blitzt sein Widerschein auf der Schutzbrille des davorhockenden Forschers.

Rot blitzt das bengalische Feuer auf dem vollgestellten Labortisch.Rot blitzt sein Widerschein auf der Schutzbrille des davorhockenden Forschers.Dunkel.Die Aufforderung Ludwig Wittgensteins, das Phänomen des Denkens mit dem Phänomen des Brennens zu vergleichen, nimmt er ernst.Er widerholt das Experiment ungerührt.Noch einmal.Das Denken, ein Blitz: vor seinem Aufflackern ist Dunkelheit, Bruchteile später ebenso."Max Black", diesen Namen eines Logikers hat Heiner Goebbels seiner neusten Performance gegeben, die jetzt im Berliner Hebbel-Theater Station macht.Das Frankfurter Multitalent hat mit "Max Black" für den Schauspieler André Wilms ein Theater-Konzert geschaffen.Als Forscher streift er durch ein bühnenfüllendes Laboratorium, ausgestattet mit Radio, Kolben, Ventilator, Fahrrad, Klavier, Aquarien und allerlei Gerätschaften, deren Funktion man nur dunkel erahnen kann.Es drängt ihn zum Experiment, nicht fiebrig erregt, eher abgemessen routiniert, als ob er die ewig selben Abläufe nur ein weiteres Mal in Gang setzen müsste.

Dabei passiert durchaus Bemerkenswertes: Die Geräuache, die Wilms während seiner Versuche erzeugt, verschwinden nicht einfach, verhallen nicht in der Tiefe des Raumes.Sie kehren zurück.Jedes neue Geräusch türmt sich zu seinen Vorgängern, per Computerhilfe entsteht ein vielschichtiges, pulsierendes Klanggebilde.Dazu schweben atemlos Texte von Lichtenberg, Wittgenstein, Valéry und Max Black, leicht dahin gesprochen und doch bedeutungsschwer."Ich erfinde mich.Ich bin zu jung und zu alt.Zu sehr ich, zu sehr alles." Alles und nichts, alles Mögliche ist dieser Forscher.Unbestimmt.Körper, Geist und Welt kann er nicht zusammenzwingen, seine Experimente bleiben nur logisch konsequent, sinnvoll aber sind sie nicht.Und so weht durch die Töne, durch Qualm und Blitz die Kälte winterlichen Unbehaustseins.Der Forscher, ein Verlorener: Wie er mit dem Kolben hantiert erinnert er an Faust, beim Griff nach dem Tonband an Becketts Krapp.Der letzte Blitz löscht ihm die Schreibtischlampe.Mit Schweiß auf der Stirn geht André Wilms seinem Applaus entgegen.Er lächelt.Zum ersten Mal an diesem Abend.Virtuos hat er in Heiner Goebbels Partitur den Solisten gespielt.Doch wie er so frei, befreit von Goebbels computergesteuerter Klang-Logik, dasteht, naiv und neugierig, da möchte man gerne noch mehr von ihm sehen.

Noch einmal heute, 20 Uhr

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