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Kultur: Gentechnik und Ethik: "Der Verlust menschlichen Lebens ist der Preis" - Prälat Karl Jüsten wünscht sich mehr Aufklärung über Gentechnik

Karl Jüsten (39) ist Prälat und Leiter der Verbindungsstelle der katholischen Bischöfe zur Bundesregierung. Herr Jüsten, die FDP will in der Gentechnik weiter gehen als alle anderen.

Karl Jüsten (39) ist Prälat und Leiter der Verbindungsstelle der katholischen Bischöfe zur Bundesregierung.

Herr Jüsten, die FDP will in der Gentechnik weiter gehen als alle anderen. Und das ohne große Debatte. Wie finden Sie das?

Das halte ich eigentlich für einen Skandal. Über eine Menschheitsfrage wird nicht diskutiert, dafür aber über die 18 Prozent und die Frage, wer Kanzlerkandidat wird - bei einer Partei, die in absehbarer Zeit nicht den Kanzler stellen wird. Da wäre es besser gewesen, wenn die Partei das Thema vorher in der Breite diskutiert hätte. Mir haben einige Delegierte am Rande des Parteitags gesagt, dass sie sich nicht wirklich in der Thematik auskennen würden.

Ist das nicht auch ein Problem einer globalisierten Wirtschaftswelt: In dem Moment, wo andere Länder weniger streng sind, steigt der Druck auch bei uns?

Ja, aber da sagen wir als Kirche: Wir sind weltweit gegenwärtig und treten überall dagegen ein. Nur weil etwas woanders erlaubt ist, müssen wir es ja nicht machen, wenn wir ethische Bedenken haben.

Aber wenn es einen Markt gibt, in dem viel Geld steckt, weil man damit Menschen heilen kann, könnte das anders aussehen.

Ja, das verstärkt das Problem. Da wird deutlich, dass das Geld die Welt vielleicht doch mehr regiert als die Ethik.

Was vermissen Sie in der Debatte um die Gentechnik?

Es ist gut, dass eine breite Debatte stattfindet. Aber es scheint mir noch zu wenig Aufklärung darüber zu sein, was überhaupt machbar ist, und auch, was überhaupt erreicht werden kann. Darüber müssten die Schulen aufklären, die Zeitungen, vor allem auch die Fernsehsender.

Liegt es eigentlich in der Natur des Menschen, dass er die Grenzen immer dort ziehen möchte, wo er im Augenblick ohnehin nicht weiter kommt?

Immer dann, wenn die Menschen wieder etwas mehr über sich herausbekommen haben, stellt sich die Frage neu: Wer ist der Mensch? Was dürfen wir zu seinem Wohle tun? In der Gentechnik kann dabei nicht alles erlaubt sein. Die embryonale Stammzellenforschung lehnt die Kirche ab, deshalb muss der Gesetzgeber einen besonderen Schutz für Embryonen garantieren. Das Leben am Anfang ist am ungeschütztesten, weil es sich nicht selber wehren kann. Das ist die Kernfrage: Wann beginnt menschliches Leben? Davon hängt alles ab.

Anders als bei der Abtreibung bekommt die Menschheit bei der Gentechnik vielleicht eine echte Gegenleistung, etwa die Heilung von Krankheiten. Wirkt sich das auf die Beurteilung durch die Kirchen aus?

Die Gegenleistung ist doch in beiden Fällen die gleiche: ein besseres oder vermeintlich besseres Leben. Der Preis ist hoch: der Verlust menschlichen Lebens.

Aber es muss doch einen Unterschied machen, ob das bessere Leben bloß in der Selbstverwirklichung besteht oder im Heilen solcher Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Diabetes.

Selbstverständlich. Wir sind ja auch nicht dagegen, Präparate zu entwickeln, die diese Heilungsmöglichkeiten bieten. Aber dafür braucht man nicht die embryonalen Stammzellen. Das kann man nach dem gegenwärtigen Wissensstand wahrscheinlich auch mit den adulten Stammzellen hinbekommen.

Herr Jüsten[die FDP will in der Gentechnik w]

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