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Kultur: Gesangsverein

Disco für Schlaumeier: Hot Chip im Astra

Keine leichte Bürde, die sich Hot Chip da aufhalsen: Als Intro lassen sie Marvin Gayes „Distant Lover“ einspielen, einen Live-Mitschnitt aus dem Jahr 1974, der in einen der gewaltigsten Jubelstürme mündet, die je auf Platte gepresst wurden. Ganz so ekstatisch geht es bei den sechs Briten nicht zu, obwohl sich im seit Wochen ausverkauften Astra eine feierwütige Meute quetscht, deren hedonistische Gelüste prompt erfüllt werden.

Als uneitle Gute-Laune-Dienstleister sind Hot Chip mit ihrer energiegeladenen Performance die ideale Party-Band. Dazu passt, dass sich ihr an Achtziger-Ikonen wie New Order und Human League geschulter Electropop weg vom nerdigen Schlaumeiertum hin zu großraumdiscotauglicher Universalität entwickelt. Alte Hits wie „Over And Over“ oder „Boy From School“ drehen sie durch die Mangel und verpassen ihnen neue Arrangements mit bohrenden Sequenzerbeats und Steeldrum-Calypso-Feeling. Im Kollektiv vereinen sich die Stimmen zum Männergesangsverein, während der kleine Alex Taylor als falsettierender Solist ein o-beiniges Tänzchen auf der Monitorbox wagt.

Aber auf eine Dramaturgie, die die Stimmung langsam zum Köcheln bringt, verzichten Hot Chip. Hier verspricht jeder Song sofortige Wunscherfüllung. Immerhin wissen sie, dass man sich einen Knaller für den Schluss aufheben sollte: „Ready For The Floor“ sorgt nach 90 durchtanzten Minuten für tosenden Beifall. Marvin Gaye bleibt allerdings unerreicht, aber der hatte damals ja auch 15 000 statt 1500 Fans vor sich. Jörg Wunder

Jörg W, er

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