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Kultur: Gipsy Kings

Eine

von Rüdiger Schaper

Hat ja vielleicht etwas Weltläufiges, der Vorschlag von Christina Weiss, auf das Berliner Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma ein englisches Wort zu schreiben: gipsy. Das bedeutet zwar auch Zigeuner, klingt aber nicht so. Jedenfalls nicht im Deutschen. Oder wie wäre es mit der französischen Variante, gitanes? Auch nicht schlecht – wobei die Gefahr bestünde, dass unbedarfte Zeitgenossen glauben könnten, es handele sich um ein AntiRaucher-Denkmal, ein non-smoking-monument. Oder um eine Werbeaktion eines gallischen Tabakkonzerns. Denglish ist die lingua franca des upgegradeten Bewusstseins. By the way, klingt gay nicht auch netter als schwul?

Das Problem ist äußerst heikel. Konkurrierende Verbände der Sinti und Roma streiten über die Inschrift. Der Begriff Zigeuner, darum geht es im Wesentlichen, sei diskriminierend – ein Nazi-Wort. Kulturstaatsministerin Weiss sucht zu vermitteln. Nun hat sie in ihrer Verzweiflung die Flucht aus der deutschen Sprache angetreten, die für die moralische Gemengelage der political correctness schließlich auch keinen eigenen Begriff besitzt. Die Berliner Mahnmale werden von den Nachkommen der Täter zum Gedenken an die Opfer gesetzt. Sie sind Schuldeingeständnis und Warnung, Verpflichtung zugleich, dass sich der Völkermord nie wiederhole. Zu beschönigen gibt es da nichts. Auch nicht mit sprachlichen Ausweichmanövern. Um es brutal zu sagen: Die Nazis haben nicht gipsies umgebracht, sie haben die Zigeuner mit ihrem mörderischen Hass verfolgt. Und die Juden? Was würde passieren, sprächen deutsche Politiker plötzlich von jews im Zusammenhang mit dem Holocaust-Mahnmal der vielen tausend Stelen, das demnächst in der Hauptstadt eingeweiht wird?

Solche Debatten nutzen nur denen, die verächtlich auf die Mahnmale blicken – den Neonazis, all den vaterlandslosen Gesellen, die nichts anfangen können und wollen mit der bundesrepublikanischen, demokratischen Gesellschaft. Diese Demokratie ziert sich schrecklich mit ihrer Selbstverteidigung, siehe NPD-Verbot, siehe Demonstrationsfreiheit am Brandenburger Tor. Auch die Gipsy-Nummer von Christina Weiss ist so ein kleiner, verschämter Offenbarungseid. Man macht sich darüber lustig, doch in Wahrheit wachsen die Zweifel an unserer Gedenkkultur.

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