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Kultur: Glaubensfragen

Bernard Haitink bei den Philharmonikern

Selbstverständlich wollen sich auch die Philharmoniker dieser Tage für Japan engagieren, sie, die das Land seit 1957 regelmäßig bereisen (wenngleich die großen Tournee-Gelder dort längst nicht mehr abzuschöpfen sind). Dennoch wirkt der Auftritt von Intendant Martin Hoffmann zu Beginn des vierten Konzerts der Abo-Serie F etwas genierlich und die Schweigeminute nach Witold Lutoslawskis „Trauermusik“ (anstelle von Anton Weberns „Im Sommerwind“) dramaturgisch ungünstig. Bis sich ein Publikum in der Philharmonie aus seinen Sitzen erhebt, das dauert und geht selten geräuschlos vor sich. Und schon ist alle Andacht dahin.

Bernard Haitink, gern gesehener Gast am philharmonischen Pult, ist ohnehin kein Mann fürs große Pathos. Der 82-Jährige macht dirigentisch wenig Fisimatenten. Was passiert, ist eine Frage der geistigen (Vor-)Verständigung und spielt sich zwischen seinen stereotyp im 45-Grad- Winkel auf und nieder fahrenden Armen ab. An diesem Abend passiert da nicht so viel. Lutoslawskis vierte Symphonie von 1992 mäandert zwischen aleatorisch zwitschernden Zeitfenstern und Mahlerscher Seelenausgießerei hin und her und tut dies auf knochentrockene, garantiert humorfreie Weise. Auch hat man es – Zufallsprinzip hin oder her – in den einzelnen Instrumentengruppen schon lange nicht mehr so ohrenfällig klappern hören. Konzentrationsmängel? Misstrauen gegenüber einem Stück, das letztlich Schablone bleibt? Es wäre den Philharmonikern nicht zu verdenken.

Zum Anwärmen für Brahms’ B-Dur Klavierkonzert nach der Pause jedenfalls taugt dieser erste Teil kaum. Und so tut man sich schwer mit dem symphonischen Wüstling, muss lange warten, bis die Energie zwischen Haitink und dem Solisten Leif Ove Andsnes zu fließen beginnt. Im Bestreben allerdings, das dialogische Prinzip sozusagen gegen die Partitur durchzusetzen und den kompakten musikalischen Satz aufzuhellen, wird Andsnes’ Anschlag gerne hölzern, horizontal – als läge einzig im Flachen die Rettung vor den Brahms’schen Schlunden. Und weil Haitink erneut impulsarm agiert, fehlt selbst dem lyrisch-innigen Geschehen des Andante („Immer leiser wird mein Schlummer“) jede Aura. Der späte Brahms, er braucht Bekenntnisse, keine Kritik. Christine Lemke-Matwey

Noch einmal heute, 20 Uhr.

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