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Die Black Keys am Sonntagabend im Postbahnhof

© Roland Owsnitzki

Die Black Keys in Berlin: Glühende Ex-Liebe

Am Freitag erscheint das neue Album der Black Keys. Ein paar Kostproben spielte die Band schon einmal im kleinen Rahmen live im Berliner Postbahnhof.

Zum guten Ton einer erfolgreichen Rockband gehört es, sich in Vieldeutigkeiten zu üben. Besonders wenn, wie im Fall der Black Keys, die Musik das Ein und Alles ist, hat doch ihr smarter Glam-Bluesrock sie zu Popstars gemacht; die Lyrics von Sänger und Gitarrist Dan Auerbach waren da - bislang zumindest - nur nebensächlich. So lassen die Black Keys nun auf der Website ihrer Plattenfirma mitteilen, der Titel ihres neuen, am Freitag erscheinenden Albums „Turn Blue“ könne mit „Ersticken“ genauso viel zu tun haben wie mit „Traurigkeit“, mit „Taubheit von extremer Kälte“ genauso wie mit einem Moderator „aus dem Late -Night-Fernsehen im Cleveland der sechziger Jahre namens Ghoulardi“, er könne aber auch all das zusammen bedeuten.

Allerdings hörte man in den letzten Monaten häufiger mal von Dan Auerbachs höchst unschönen Rosenkrieg mit seiner Frau Stephanie Gonis (mit Missbrauchsvorwürfen gegen ihn und Selbstmordversuchen ihrerseits, und zwar in Gegenwart der sechsjährigen Tochter), und „Turn Blue“ sei nun das Album, mit dem Auerbach die vollzogene Trennung verarbeite. Tatsächlich lassen sich Songtitel wie das siebenminütige, an die Eagles erinnerde Eröffnungsstück „Weight of Love“ oder Zeilen aus dem Titelstück wie „I will remember the times/ when love would really glow“ dahingehend interpretieren. Auerbach gab in Interviews auch zu, froh darüber zu sein, die Musik zu haben und mit Hilfe der Lyrics Privates ausdrücken zu können. Zudem hat der Mann gerade ein Album des Singer/Songwriters Ray LaMontagne produziert - und, man höre und staune, das neue von Lana del Rey.

Von all dem ist naturgemäß bei dem sogenannten Clubkonzert, das die Black Keys am Sonntagabend im Postbahnhof vor gut 400, 500 Zuschauern gespielt haben, keine Rede; hier ist wieder ein bisschen Rätselraten angesagt. Natürlich dient dieses Konzert Promotionszwecken: Deutschland ist in Europa einer der wichtigsten Märkte für Band und Plattenfirma; und natürlich sind unter den vielen eingefleischten Fans viele geladene Gäste aus dem Musikbusiness. Trotzdem spielen die Black Keys alles andere als einen reinen Werbegig, ein „Turn-Blue“-Warm-Up, sondern vor allem ein, wenn auch nur eine dreiviertel Stunde dauerndes Fankonzert mit vielen Hits von den letzten Alben „El Camino“ und „Brothers“, mit „Tighten Up“ und „Gold On The Ceiling“, mit dem unvermeidlichen „ Lonely Boy“ und „Little Black Submarines“ als Schlussstücke.

Die Band scheint sich erst ein bisschen warmspielen zu müssen

Wer Aufschlüsse über „Turn Blue“ erwartet hatte, musste sich mit vier Stücken von dem neuen Album bescheiden, von denen wiederum neben der vorab ausgekoppelten Single „Fever“ zwei weitere schon einige Tage im Netz kursieren: das zum Hinknien schöne, elegische, Schlafzimmer-Blueshafte Titelstück „Turn Blue“ sowie das zupackendere „Bullet in the Brain“. Genau mit diesem Song beginnen die Black Keys, wobei man merkt, dass sie ihn noch nicht oft live gespielt haben. Es holpert und schrotet hie und da, das psychedelische Moment, das „Bullet in the Brain“ ausmacht, ist kaum hörbar. Überhaupt hat es den Anschein, als müssten sich Auerbach und sein Kumpel, Black-Keys-Schlagzeuger Patrick Carney, zusammen mit ihrem Bassisten und Keyboarder erst einmal warm spielen: Betriebstemperatur erreicht der kurze Auftritt erst in der zweiten Hälfte, und dann ist wirklich alles wieder gut und groß und die Black Keys die beste und glamouröseste Rockband der Welt, der man noch jede Joe-Sartriani-Anleihe durchgehen lässt. Und wann kommt man schon noch in den Genuss, die Band in so einem kleinen Rahmen zu sehen?

„Turn Blue“, das wieder von Brian Burton aka Danger Mouse mitproduziert wurde, dürfte sie die großen Hallen noch schneller ausverkaufen lassen als „El Camino“. Nach den ersten Höreindrücken scheint das Album in der Tat kein bloßer Nachfolger geworden zu sein, sondern viel verfeinerter, variantenreicher, zumindest im Black-Keys-Kosmos. Weniger Glam, mehr Songwriting, weniger Wumms, mehr Auf und Abs, wenn man so will: noch mehr Pop als Blues, Trennungsgeschichten hin oder her. „Fever“ ist jedenfalls ein Song, der sofort geht und der auch im Postbahnhof so klingt, als würde man ihn ewig kennen, mit seinem unbezwingbar hypnotischen, von quietschenden Keyboards unterstützten Refrain und einem im Gegensatz dazu ordentlich rumpeligen Gitarre-Schlagzeug-Gerüst.

Ganz anders klingt im Vergleich „It´s Up To You Now“ aus dem Mittelteil des Albums, das Auerbach, Carney und Co als vierten neuen Song spielen: bohrender, irgendwie abgerüsteter, experimenteller. „Smoke cigarettes and act like a clown if you want – it’s up to you now”, singt Auerbach hier. Wer der Adressat ist, muss im Dunkeln bleiben – aber selbst ein zermürbender Rosenkrieg scheint auch kreative Energien freisetzen zu können.

„Turn Blue“ erscheint am Freitag bei Warner

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