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Lehmann

© ddp

Goethe-Institut: Aufklären und subtil bleiben

Konkurrenz global: Ein Gespräch mit Klaus-Dieter Lehmann, dem neuen Präsidenten des Goethe-Instituts.

Das Goethe-Institut ist nicht das Internationale Olympische Komitee. Aber Sie haben in China zwei Institute eröffnet . . .

. . . wir haben zweieinhalb. In Peking, Hongkong und ein halbes in Schanghai.

Ist das, was derzeit in Tibet und China passiert, von irgendeinem Belang für die dortige Arbeit des Goethe-Instituts?

Wir machen keine sprunghafte Tagespolitik, sondern arbeiten langfristig. Aber Tibet sensibilisiert uns natürlich. Doch bei jeder Konfliktsituation Verbindungen zu einem Land abzubrechen, würde dem kulturellen Dialog einen Bärendienst erweisen. Solange wir in unserer Arbeit frei sind und nicht zensiert werden, bleiben wir in China. Da nutze ich Tibet mehr als auf andere Weise.

Was ist die Politik, die Philosophie der Arbeit des Goethe-Instituts in Staaten, die nicht demokratisch verfasst sind?

Ich möchte, dass man die Institute wirklich als Dialogräume oder Freiräume versteht, wo man unbehindert arbeiten, reden und gestalten kann. Dann ist es gut. Ich bin ein subtiler Aufklärer, der versucht, in jedem Land, ob konfliktträchtig durch Korruption oder Diktatur, Arbeitsfähigkeit herzustellen.

Wo ist die untere Grenze für diese Arbeitsfähigkeit, etwa was den Bezug von deutschen Zeitungen und Büchern angeht?

Zensur ist ein Merkmal. Wenn wir zensiert werden, wenn wir nicht in der Lage sind, unsere Bibliothek nach unseren Vorstellungen zu gestalten, wenn unsere Programminhalte mit Widerständen oder entsprechenden Abstrafungen belegt werden, dann würde ich sehr deutlich reagieren. Also: keine Selbstverleugnung. Auf keinen Fall.

Gibt es im Vergleich zu früher neue Formen der Programmausrichtung, vielleicht auch der kulturellen Rücksichtnahme?

Ich gehe nicht mit einem Institut in solche konfliktträchtigen Bereiche mit einer vorsätzlichen Provokation. Weil ich dann Ansätze einer zivilgesellschaftlichen Entwicklung störe oder zerstöre. Wir verlieren dann eigentlich in einem Land. Bei Afrika beispielsweise finde ich es wichtig, eine innerafrikanische Öffentlichkeit herzustellen, nicht nur eine Beziehung zu uns.

Wie unterscheidet sich die Situation des Goethe-Instituts von der vor zehn Jahren?

Wir haben mit dem Jahr 1989 einen Einschnitt erlebt, der die Welt, aber auch uns selbst verändert hat, und damit unsere Position. Ich betrachte die deutsche Wiedervereinigung als kulturelles Ereignis, nicht als rein ökonomisches, und das lässt sich mit der Arbeit des Goethe-Instituts sehr gut vermitteln – mit einem selbstkritischen Selbstbewusstsein. Wir sind jetzt in unserem Profil viel deutlicher.

Verstehen Sie sich als eine Art Mittler unserer gesellschaftlichen Wertvorstellungen?

Ich bin nicht der verlängerte Arm der Politik oder der Wirtschaft. Ich möchte aber der Gefahr entgegnen, dass wir uns in der Außenwahrnehmung in Parallelwelten von Kultur, Politik und Wirtschaft aufsplitten. Im Grunde bietet die Kultur eine Chance, diesen verschiedenen Segmenten der Gesellschaft eine Qualität zu geben, die im Ausland wichtig und gefragt ist. Die Kulturkompetenz, die wir haben, wollen wir einsetzen, um die Beziehungen Deutschlands zu stärken. Ihre Glaubwürdigkeit und damit ihre Akzeptanz liegt in ihrer Unabhängigkeit. Die Programmarbeit ist unsere eigene Leistung.

Werden die Vorstellungen der Partnerländer berücksichtigt?

Um ein Bild zu benutzen: Wir vermitteln unsere Kultur nicht wie mit einem Raumschiff, man packt seine Kultur ein, bringt sie in ein anderes Land und stellt sie dort aus. Das machen wir genau nicht. Wir haben eine andere Auffassung: Wir zeigen uns und lassen uns mit der Kultur eines anderen Landes ein. Es ist ein Geben und Nehmen – damit haben wir größere Chancen als manche anderen Nationen. Und wir sind immer wieder willkommen. Das ist Nachhaltigkeit in den Beziehungen!

Spielen Menschenrechtspolitik oder Demokratieexport beim Goethe-Institut eine größere Rolle als bei den Kulturinstituten anderer Länder?

Von der Zielsetzung her ja, aber von der Präsentationsform sind wir subtiler und vielfältiger. Die Politik muss protokollarisch formal arbeiten. Wenn die Bundeskanzlerin reist, muss sie den Katalog der Menschenrechte aufblättern. Das Goethe-Institut hat mit Literatur, Theater, Kunst, mit der Vermittlung von Lebensformen einen Fächer von Annäherungen – informativ, aber auch emotional. Das Ziel ist immer klar: Emanzipation. Das ist ein aufklärerischer Begriff, und Aufklärung ist nicht überall ein Wert. Aber wenn wir der Überzeugung sind, dass Eigenverantwortung, Kritikfähigkeit, Emanzipation unsere Art von Kultur ausmachen, dann müssen wir sie auch vorleben. Wir befinden uns dann durchaus auch im Gegensatz zu anderen, aber diesen Gegensatz muss man auch wahrnehmen. Ich bin nicht der Minenhund, aber ich bin auch nicht der Missionar. Ich suche eher nach Möglichkeiten, wie unterschiedliche Auffassungen vereinbar gemacht werden können, was das Zusammenleben betrifft. Menschliches Zusammenleben ist in erster Linie eine kulturelle Leistung.

Was ist, wenn Sie keinen Ansprechpartner in der Programmgestaltung finden? Zumal bei Themen, die uns wichtig sind, wie der Meinungsfreiheit oder der Trennung von Staat und Religion.

Dann ist mein Partner das Publikum – die individuellen Menschen, die ins Institut kommen aufgrund unserer Annoncen. Wir suchen schon gerne Partner, aber Sie haben natürlich recht: Es gibt Länder, wo wir mit Partnern nicht arbeiten können, weil es die in dieser zivilgesellschaftlichen Form nicht gibt.

Die Arbeit des Instituts ist in vielen Ländern stark davon geprägt, dass Partner und Infrastruktur erst aufgebaut werden müssen, wie zum Beispiel in Afghanistan.

Deshalb sind die Programme so wichtig, die wir jetzt in der Sprachvermittlung machen, weil ich glaube, dass wir damit einen Humus bekommen, mit dem man später arbeiten kann. Ich denke insbesondere an unsere Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“. Gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt und der Zentrale für Auslandsschulwesen gehen wir in die Schulsysteme dieser Länder und versuchen offensiv, Deutsch als zweite oder dritte Sprache aufzubauen. Wenn dann noch Kontakte zu den Goethe-Instituten dazukommen, dann habe ich Chancen für zivilgesellschaftliche Strukturen. Mit künftig 500 neuen Partnerschulen ist das durchaus eine kritische Masse, die wir da erreichen.

Sie wollen Sprach- und Programmarbeit stärker aufeinander beziehen?

Ja, das ist aber schon längere Zeit so. Sprache als Kulturträger. Wir nehmen Einfluss, indem wir Kultur in die Wirtschaft bringen, in die Politik, indem wir Lebensweisen praktizieren. Wenn wir auf die Wirtschaft schauen: Da stehen wir weltweit in Konkurrenz. Da muss auch die Wirtschaft darauf achten, dass sie eine gute Qualität in der Vermittlung hat, in der Kultur ihrer Arbeit.

Wie arbeitet Goethe mit den anderen europäischen Kulturinstituten zusammen?

Klar ist: Alle Kulturmittler in Europa sind der Auffassung, dass es kein gemeinsames europäisches Kulturinstitut geben soll. Aber es gibt natürlich eine europäische Politik im Ausland. Wenn das in dem Sinne geschieht, dass europäische Kultur in definierten Projekten wahrnehmbar wird, etwa von China oder Lateinamerika aus, wo man auf Europa im Ganzen blickt, dann ist das vernünftig.

Wie steht’s mit Russland?

Ich würde gerne noch in diesem Jahr ein Institut in Nowosibirsk eröffnen, das wäre dann das einzige Institut in Sibirien. Strategisch ist das ein guter Ort. Also: Afrika, China, Russland würde ich als konkrete Schwerpunkte sehen.

Wird sich das Goethe-Institut am Humboldt-Forum in Berlin beteiligen? Schließlich haben Sie – als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz – das Forum in besonderem Maße propagiert.

Goethe ist der Blick nach außen, und Humboldt ist der Blick von außen. Wir haben also im Grunde zwei Richtungen. Wenn man diese Zweibahnstraße ausbaut, wäre das sicher ein Zugewinn. Aber ich mache nicht alles in der ersten Woche!

Wie viel Goethe gehört also künftig ins Humboldt-Forum?

Ich habe einmal den Satz gesagt: Mit Goethe und Humboldt haben wir hervorragende Möglichkeiten in der ganzen Welt, denn Humboldt kennt man auf der südlichen Hemisphäre und Goethe auf der nördlichen. Man ist gut, wenn man einen Markennamen hat.

Das Gespräch führten Rüdiger Schaper und Bernhard Schulz.

Klaus-Dieter Lehmann, geb. 1940, 1999–2008 Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin, ist seit 1. April 2008 Präsident des Goethe-Instituts mit Sitz in München.

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