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Unter Beobachtung: Szene aus "OHIO I" an der Deutschen Oper.

© Thomas Aurin/Deutsche Oper

"Ohio" an der Deutschen Oper: Good bye, Stasi

Agent verführt Tochter einer Gegenagentin: Drei Libretto-Debüts als Kurzopern-Mix "OHIO" in der Tischlerei der Deutschen Oper.

Als am 9. November 1989 die Mauer fiel, lautete der häufigste Kommentar schlicht „Wahnsinn“. Es war ein seltsam inadäquater Begriff – denn der wahre Wahnsinn spielte sich ja im Alltag vor und auch nach diesem befreienden Ereignis ab. Eine Institution, die sich traditionell gut mit dem Ausdruck von Wahnsinn wie kollektiv unterdrückten Gefühlen auskennt, ist bekanntlich die Oper. Vielversprechend schien es daher, dass Sascha Hargesheimer, Michel Decar und Jakob Nolte vom Studiengang Szenisches Schreiben der Universität der Künste als Grundlage für ihre Debüts als Librettisten eine reale Geschichte auswählten, die ohne Anklage zur Auseinandersetzung mit dem Wahnsinn von Teilung und Überwachung einlädt: Ein Stasi-Mitarbeiter wird als sogenannter „Romeo“ auf die Tochter einer vermeintlichen Gegenagentin angesetzt, zeugt mit ihr ein Kind – und wird von einen Tag auf den anderen abgezogen.

Die in drei Libretti aufgeteilte Story mit dem etwas unglücklichen, wohl auf ein Codewort hinweisenden Titel „OHIO“ (wieder am 14./15.4) diente Robert Krampe, Mischa Tangian und Elisa Quarello (Gewinner des Kompositionswettbewerbs „Neue Szenen“) als Grundlage für drei Kurzopern. Diese wurden nun in der Tischlerei der Deutschen Oper zusammen mit dem Echo Ensemble für Neue Musik der Hochschule für Musik Hanns Eisler unter der Leitung von Manuel Nawri zur Uraufführung gebracht. Wer auf eine musiktheatralische Antwort auf Filme wie „Das Leben der Anderen“ oder „Good bye, Lenin!“ gehofft hatte, wurde enttäuscht. Statt eine gute Geschichte mit guten Stimmen und einem guten Orchester klar zu erzählen, setzten Autoren wie Regie alles daran, das Geschehen zu abstrahieren und zuletzt sogar durch Agenten-Klischees zu veralbern.

Weil zudem die Textverständlichkeit der letzten beiden Sängerteams zu wünschen übrig ließ, blieben Empathie und Interesse an den Figuren auf der Strecke; der Bezug der Spionagestory zur Gegenwart reduzierte sich auf Effekte wie das Zitat der amerikanischen Hymne. Auch wenn Krampes Musik Gefühle mit comichafter Direktheit schildern kann, Mischa Tangian virtuos mit dem aufgeregten Stottern der Tochter spielt oder Elisa Quarello frech osteuropäische Sounds in ihre Partitur einmontiert – dass der angekündigte „großartige Stoff für das Kraftwerk der Gefühle“ derart verschenkt wurde, kann Anlass zur Sorge geben.

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