zum Hauptinhalt

Google Art Project: Das Schöne und das Biest

Google erweitert sein Kunstprojekt. 151 Museen aus 40 Ländern zeigen nun Werke auf der Plattform, darunter fünf aus Berlin. Ein Projekt zwischen Kunst und Kommerz.

Von Anna Sauerbrey

Jetzt könnten alle den Blick nach oben richten und die echte Kuppel der Rotunde des Alten Museums betrachten. Doch die Aufmerksamkeit gilt wie hypnotisiert der Präsentation von Wieland Holfelder. Gerade lenkt der Entwicklungsdirektor von Google dort mit einem Mausklick das Augenmerk mit einem beinahe unmerklichen Ruckeln auf die virtuelle Kuppel. „So“, sagt Holfelder. „Wunderschön.“

Seit dem gestrigen Dienstag ist die wunderschöne virtuelle Welt des Konzerns, für den Holfelder arbeitet, wieder ein bisschen vollständiger geworden. Im Alten Museum präsentierte das Unternehmen gemeinsam mit seinen deutschen Partnern, unter anderem der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, eine deutliche Erweiterung des „Google Art Projects“. Noch mehr Museen und noch mehr Werke kann man nun online besichtigen, kann mit der Street-View-Technologie durch die Räume streifen.

Gestartet wurde das Projekt bereits im Februar 2011, zunächst beteiligten sich 17 Museen, aus Berlin die Alte Nationalgalerie und die Gemäldegalerie. Seit gestern sind es 151 Museen aus 40 Ländern, von Südafrika bis Brasilien, von China bis Frankreich. Aus Berlin sind nun auch das Alte Museum, das Pergamonmuseum und das Kupferstichkabinett vertreten. Aus Deutschland außerdem elf Museen und Sammlungen in Dresden, unter anderem das Grüne Gewölbe und die Gemäldegalerie Alte Meister, in Düsseldorf das Museum Kunstpalast.

Einige ausgewählte Werke werden mit einer Auflösung von sieben Milliarden Pixeln gezeigt, seit Dienstag nun unter anderem auch das „Kentaurenmosaik“ des Alten Museums. Man kann sich heranzoomen an das Pferd-Mensch-Wesen im Kampf mit dem Tiger, bis es sich auflöst in ockerfarbene Vierecke, bis man die gesplitterten Kanten eines jeden Mosaiksteinchens sieht und die Struktur der Fugen dazwischen. In der Tat, das ist wunderschön. Insgesamt enthält die Bilderdatenbank bereits 30 000 Objekte.

Doch Google und das Schöne, Kunst und Kommerz, das ist ein schwieriges Verhältnis. Google baut im Netz die Welt nach. Dazu gehört auch, das kulturelle Schaffen der Menschen ins Virtuelle zu transferieren. Nur dass viele Künstler das keineswegs als das philanthropische Megabildungsprojekt betrachten, als das Google es gern verkauft, sondern als „Verwertung“ ihres Werks. Und dafür wollen sie Geld. Der große Zwist zwischen Google und dem Schöngeistigen begann mit dem Streit um das Bücherdigitalisierungsprojekt Google Books. Zurzeit wird besonders heftig gestritten, gerade in Deutschland. Seit Jahren befehden die Videoplattform Youtube, die zum Konzern gehört, und die Verwertungsgesellschaft Gema einander vor Gericht. In jüngerer Zeit verschärfte sich der Ton der Auseinandersetzung um den Schutz von Urheberrechten. Zuletzt schrieben mehrere „Tatort“-Autoren, Google verdiene sich an den Werken anderer „dumm und dämlich“, befördere aber letztlich nur die „Umsonstkultur“ und trage eben damit zum Untergang bei.

Die Bildende Kunst ist von jeher unbefangener, weil bei vielen Werken, die die breite Masse interessiert, das Urheberrecht bereits erloschen ist. Auch an Kunstwerken haben die Urheber und ihre Erben zwar Rechte, bis 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers. Caravaggio kann nicht mehr klagen. Im virtuellen Museum von Google und seinen Partnern sind deshalb nur ältere Werke zu sehen.

Heikel ist das Verhältnis trotzdem und weil Wieland Holfelder von Google das weiß, erklärt er bei der Präsentation am Dienstag gleich noch einmal das Anliegen von Google. „Es geht darum, das kulturelle Erbe zu erschließen und der Menschheit zugänglich zu machen“, sagt er und dann noch etwas über Kinder, die in einem Internetcafé in Mumbai sitzen und nun endlich all die europäischen Museen besuchen können. Das Projekt sei nicht gewinnorientiert, Werbung werde man dort nicht schalten.

Die Museen hören das gern. Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, betont: „Wir fühlen uns in der Verpflichtung, unsere Objekte so breit wie möglich der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, auch für Menschen, die nicht im Handumdrehen nach Berlin reisen können.“ Ob das überhaupt ankommt, wie viele Internetnutzer die Gemäldegalerie und die Alte Nationalgalerie, die ja schon seit einem Jahr dabei sind, virtuell besucht haben, das wurde merkwürdigerweise bisher nicht veröffentlicht.

Es stimmt dennoch, dass bislang wohl kein anderes Unternehmen Kultur so zugänglich gemacht hat wie Google und seine diversen Ableger. Vergleichbare Digitalisierungsprojekte wie etwa die „Europeana“ kuratieren zwar auch Ausstellungen, sind aber weniger interaktiv, eher für Leser als für Bildbetrachter, eher für Akademiker als für das breite Publikum. Was die Technologie angeht, ist Google eben unschlagbar. Das wissen auch die Verantwortlichen in Berlin und in anderen Städten und nehmen die Hand deshalb gern, die Google reicht.

Doch dass Google damit kein Geld verdient, wie Holfelder betont, ist auch nur die halbe Wahrheit. Das Art Project ist mit den anderen Diensten von Google verknüpft, ein Einloggen nicht notwendig. Doch wer es tut, etwa um eine persönliche Galerie zu erstellen oder ein Bild zu empfehlen, dessen Profil erweitert sich in Googles Datenbanken auch noch um seinen Kunstgeschmack. Daten sind Geld. Auch schön für Google.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false