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Kultur: Gott ist ein Playboy

Glauben und trinken: Bruno Cathomas richtet eine Bibel-Factory im Gorki-Studio ein

Von Sandra Luzina

Wenn man Bruno Cathomas fragt: Woran glauben Sie?, dann lächelt er verschmitzt und sagt: „Ich bin überzeugter Darwinist!“ Und wenn man dann erwidert: „Das glaube ich nicht!“, dann hat man schon unter aufgeklärten Zeitgenossen einen kleinen Glaubensstreit vom Zaun gebrochen. Und dann ist man schon mitten in einer langen Erzählung.

„Ich war einmal sehr gläubig“, beginnt der Schweizer Schauspieler, der in einem 450-Seelen-Dorf groß wurde, seine Erzählung. Streng katholisch ist er erzogen worden, und bis zum 14. Lebensjahr hat er alles geglaubt, was ihm erzählt worden ist. Es war ein Glauben, der stark mit Furcht behaftet war. Irgendjemand hat ihm dann ein Buch von Darwin in die Hand gedrückt. „Als ich den Pfarrer gefragt habe, ob er wisse, dass der Mensch vom Affen abstamme, hat er mir eine gescheuert. Da bin ich aufgestanden und habe den Unterricht verlassen.“

Das hat man sich als eine Urszene vorzustellen. Denn wenn der bekannte Schauspieler Bruno Cathomas nun hingeht und eine Bibel-Factory gründet, dazu alle Räume des Gorki-Studios mit seinen Schauspielern besetzt, dann muss er furchtlos sein, und auch ein wenig größenwahnsinnig. Doch seine Mission ist eine rein ästhetische. Dieses Projekt ist nicht der Versuch, zum Glauben zurückzufinden. Keine Bekehrung. Der Ursprung des Projektes war ein anderer. Der Schauspieler, der mit Regisseuren wie Frank Castorf und Thomas Ostermeier gearbeitet hat, fühlte eine Sinnkrise nahen. Fragte er sich doch immer öfter, was ihm im Dienste des Regiekonzeptes denn noch zu spielen übrig blieb?

Nicht die Bibel stand also am Anfang, sondern die Idee, mit Schauspielern eine Factory zu gründen und das Schauspiel anders zu untersuchen. Leitend war die Frage: Wie kann man wieder Geschichten erzählen? „So bin ich auf das Alte Testament gekommen, weil das die Ursprungsgeschichten unseres Kulturkreises sind.“ Die Ursprungsgeschichten – und die Geschichte vom Ursprung! Denn mit der „Schöpfung“ beginnt die Aufführungsreihe, die nach vier Monaten mit der „Apokalypse“ endet. Alle zwei Wochen wird eine neue Folge herausgebracht, mit denselben fünf Schauspielern als Archetypen: das Gute, das Böse, der Mann, die Frau, das Es. Ja, ein wenig Freud spukt durch dieses theatrale Unterfangen, das Cathomas schon mal unbekümmert als Bibel-Soap bezeichnet.

„Glauben und Trinken“. Ein grün-weißes Schild weist den Weg zur umgestalteten Bar. Und signalisiert, dass es doch eher profan zugeht. Hier wird Bruno Cathomas seine Anhänger um sich scharen, um zusammen zu kochen und Partys zu feiern. Das lässt an Woody Allens Ausspruch denken: „Natürlich gibt es eine jenseitige Welt. Die Frage ist nur: Wie weit ist sie von der Innenstadt entfernt und wie lange hat sie geöffnet?“

In die öffentlichen Proben, die Cathomas seit Ende September abhält, hat sich allerdings schon manch frommer Bibelkreis verirrt. Starkes Interesse weckt sein Bibel-Projekt, vor allem von Seiten der Kirchenblätter wird er um Interviews gebeten. Früher oder später kommt dann immer die Frage, ob das nicht anmaßend, gar blasphemisch sei, was er da treibe. Da kann er sich in Rage reden. „Ich finde es umgekehrt vermessen, mich das zu fragen. Da wird schon wieder mit dieser Angst operiert!“ Die bange Frage, ob er das denn dürfe, die Bibel zu inszenieren, sei bei der Arbeit nie aufgetaucht, auch wenn er manchmal von seinen Kindheitseindrücken fast überwältigt wird. „Ich hatte zwei Ängste, bevor ich anfing: dass mich die Angst vor dem Ganzen erdrückt, ich nicht kreativ sein kann. Und zweitens: dass ich einen Schlüssel finde und wieder gläubig werde. Das ist bis jetzt nicht passiert.“

Ein fertiges Regiekonzept gibt es bislang nicht, dafür 250 Seiten Text. Zwei fleißige Hospitantinnen haben die Schauspieler-Improvisationen protokolliert – Wort für Wort. Daraus eine spielbare Fassung zu erstellen – das ist eines der Wunder, die Bruno Cathomas vollbringen muss. Die Schauspieler, die er sich ausgesucht hat, haben keine Scheu, als Entertainer auf der Bühne zu stehen. Dass alle einen leichten Hau haben, ist als Kompliment gemeint. Den muss man wohl auch haben, um etwa das Gute zu verkörpern. „Das ist extrem schwer“, erklärt Cathomas. Dass Bettina Hoppe wie eine religiöse Eiferin oder durchgeknallte Heilsarmistin auftritt, gefällt ihm. „Das wird eher noch schlimmer werden“, droht er.

Gott – das war die Rolle, die er für sich selbst vorgesehen hatte. Da hatte er sich überschätzt. Denn zunächst ist er von seiner Regieschöpfungsaufgabe vollkommen in Anspruch genommen. Als Schauspieler wird Cathomas erst in Folge drei oder vier einsteigen. Hat er sich mit dem Projekt nicht ein Martyrium aufgebürdet? Seinen Figuren märtyrerhafte Züge zu verleihen, darauf versteht der Schauspieler sich, das konnte man zuletzt in Thomas Ostermeiers Inszenierung „Woyzeck“ an der Schaubühne erleben. „Ich leide extrem, wenn ich Rollen wie den Woyzeck spiele“, gesteht Cathomas. „Das Bibel-Projekt habe ich allerdings nicht mit dem Vorsatz begonnen, geläutert herauszukommen.“ Doch eine Ähnlichkeit zu Gott gibt es: auch der Regisseur will „überall und nie da sein, wenn man ihn braucht“.

Die Bibel: I Schöpfung. Eine Sinnsuche in fünf Teilen. Premiere am 7. Oktober, 20.30 Uhr im Gorki-Studio

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