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Gott ist viele: Streit um Hessischen Kulturpreis beigelegt

Ende gut, alles gut? Zur Verleihung des Hessischen Kulturpreises – auch an Navid Kermani.

Mit einer Feierstunde im Wiesbadener Kurhaus fand am Donnerstag der unselige Streit um die Verleihung des Hessischen Kulturpreises ein gutes Ende. Hessens Ministerpräsident Roland Koch zeichnete Kardinal Karl Lehmann, den Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, den deutsch-iranischen Publizisten Navid Kermani und den ehemaligen Kirchenpräsidenten Peter Steinacker als Brückenbauer aus, die sich als Vertreter der abrahamitischen Religionen um den interreligiösen Dialog verdient gemacht haben.

Die heftigen Auseinandersetzungen um die zwischenzeitliche Aberkennung für Kermani nennt Koch in seiner Rede „Turbulenzen“. Er entschuldigt sich persönlich – und entschuldigt sich auch wieder nicht, indem er die Kommunikation als „nicht gelungen“ bezeichnet, gleichzeitig aber rechtfertigt, warum der Preis nicht auch den anderen drei aberkannt worden war. Die Jahrhunderte lange Prägung des christlich-jüdischen Deutschlands und Europas „kann gerade bei einem Kulturpreis nicht durch juristische Gleichstellung wegdefiniert werden“.

Ende gut, alles gut? Im Frühjahr hatte Kermani durch Journalisten erfahren, dass Lehmann und Steinacker nicht mit ihm zusammen geehrt werden wollten, weil sie Anstoß an einem Zeitungstext Kermanis nahmen. Darin dachte der Schriftsteller über die christliche Kreuzestheologie nach, kritisierte sie zunächst fundamental als Gotteslästerung und Idolatrie, zeigte sich dann aber zutiefst von einem Kreuzigunsgemälde Guido Renos beeindruckt. „Ich könnte an ein Kreuz glauben“, schrieb Kermani.

Kermani habe „den Respekt vor meiner religiösen Grundüberzeugung vermissen“ lassen, bekräftigte Steinacker nun erneut in seiner Wiesbadener Dankesrede. In einem klärenden, vertraulichen und verständnisvollen Gespräch der Preisträger Ende August habe man diese Bedenken jedoch ausräumen können – „mit dankbarer Freude“, so der protestantische Kirchenpräsident.

Sein katholischer Kollege, Kardinal Lehmann, geht während der Verleihung nicht auf den Streit ein, während Salomon Korn die Verkrampfungen der Debatte mit Witz und Esprit zu lockern versucht. „Glauben wir alle an denselben Gott?“ Als Antwort zitiert er einen islamischen Gelehrten: „Wenn es Gott gibt, ist es derselbe, wenn es ihn nicht gibt, dann sind es drei.“ Ebenso greift er auf die Worte eines israelischen Dichters zurück. „An dem Ort, an dem wir recht haben, werden niemals Blumen wachsen … Zweifel und Liebe lockern die Welt auf, wie ein Maulwurf.“

Die brillanteste Rede hält Navid Kermani selbst. Dem Streit habe ein Missverständnis über seine Rolle als Schriftsteller und Wissenschaftler zu Grunde gelegen. Er sei Moslem und Schriftsteller aber – anders als er häufig lesen müsse – kein muslimischer Schriftsteller. Er sei auch kein Repräsentant einer Religion. Ein literarischer Text vertrete keine Religion, „nicht einmal den Autor“.

Kermani dankt für die „geradezu zärtliche Erfahrung“ der großen Unterstützung, die er in der Debatte um ihn und die Kreuzestheologie erlebt habe. Der Streit selbst trug im Sommer ja erheblich zum interreligiösen Dialog in Deutschland bei. Das Land, so Kermani, sei „weltoffener und kulturell vielfältiger geworden“. Ein Zeichen dafür setzt Kermani selbst, indem er, der Moslem, sein Preisgeld der katholischen St. Theodor-Gemeinde in Köln vermacht – weil sie „in einem sozialen Brennpunkt vorbildliche Arbeit leistet“. Dort habe man als Reaktion auf die Attacken gegen die geplante Moschee in Köln eine Kirchenkollekte für deren Bau gespendet.

Für einen faulen Frieden ist Kermani allerdings nicht zu haben. So erinnert er seinen Laudator Roland Koch an den Landtagswahlkampf 2008, in dem Koch bei seiner Klage über kriminelle ausländische Jugendliche „in fatal zuspitzenden Äußerungen im Zusammenspiel mit der Boulevardpresse an ausländerfeindliche Instinkte appellierte“. So habe Koch Menschen wie ihm das Gefühl vermittelt, nicht dazuzugehören.

Christoph Schmidt-Lunau

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