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Grace Paley: Ellipsenkönigin

Sie ließ weg, was sie weglassen konnte. Ist doch nicht nötig, schien die zutiefst weibliche Grundhaltung ihrer Heldinnen zu sein. Mit 84 Jahren erlag sie einer Krebserkrankung. Zum Tod der Erzählerin Grace Paley.

Von Gregor Dotzauer

Sie machte es am liebsten kurz. Punkt. Punkt. Komma. Strich. Und fertig war das Frauen-Ich. Grace Paley war eine Ellipsenkönigin, die wegließ, was sie weglassen konnte – zugunsten der Stimmen, die sie in ihren Geschichten auflas, auch gerne jede nur andeutungsweise realistische Szenerie. Ist doch nicht nötig, schien die zutiefst weibliche Grundhaltung ihrer Heldinnen zu sein: nicht maulfaul oder von einem pathetischen Schweigen umgeben, wie es Männer manchmal sind, sondern eher etwas kleinlaut, aber stets bereit, das eigene Elend rund um Kindererziehung und alltägliche Einsamkeit mit einem Witz tapfer zu überspielen.

Margalit Fox hat in der „New York Times“ den schönen Satz geschrieben, dass Paleys Werk in gewissem Sinn davon handle, was geschehe, nachdem Philip Roths, Saul Bellows und Bernard Malamuds männliche Protagonisten ihre Frauen verlassen hätten. Das trifft die Männergeneration, gegen die sie als erklärte Feministin aufbegehrte, und das Jüdisch- Amerikanische ihrer Welt zugleich.

Paleys Eltern waren ukrainische Juden, die über sibirische und deutsche Umwege nach New York auswanderten. Dort, in der Bronx, wurde sie unter dem Namen Grace Goodside im Dezember 1922 geboren. Sie wuchs hinein in ein sozialistisches Elternhaus, dessen Traditionen sie als Aktivistin gegen den Vietnam- und zuletzt den Irakkrieg fortsetzte. Von ihrer politischen Seite zeugt unter anderem die Wortmeldungen „Just As I Thought“ (1998). Das Herz ihres Schreibens bilden – nach einigen Gedichtbänden in jungen Jahren – aber ihre Erzählungen; einen Roman hat sie nie veröffentlicht. In den achtziger Jahren fand sie, übersetzt von Jürg Laederach, Marianne Frisch und Hanna Muschg, mit Büchern wie „Ungeheure Veränderungen in letzter Minute“ auch in Deutschland ein Publikum. Jetzt ist Grace Paley, die so etwas wie Natalia Ginzburgs amerikanische Schwester war, mit 84 Jahren in ihrer Heimatstadt Thetford Hill, Vermont, einer Krebserkrankung erlegen.

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