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Günter Grass.

© dpa

Neuer Gedichtband: Grass und die Eintagsfliegen

"Grass provoziert wieder Israel", titelt die Nachrichtenagentur dpa. Reicht der neueste Schachzug des Literaturnobelpreisträgers für eine abermalige Erregung? Und für steigende Verkäufe? Eher nicht.

Weiß eigentlich noch jemand, an welchem Buch es vor J. K. Rowlings Non-Potter-Roman „Ein plötzlicher Todesfall“ absolut kein Vorbei gab, in den Buchhandlungen, den Medien? Ist noch keine zwei Wochen her, dass es erschien, kommt einem beim Rowling-Wirbel aber schon wie eine Ewigkeit vor: Salman Rushdies Autobiografie „Joseph Anton“, über 700 Seiten lang – ein Buch, für das man sich Zeit nehmen muss und das auch in ein paar Monaten noch lesenswert ist. Der Buchmarkt aber schert sich nicht um möglicherweise Bleibendes, Längerlebiges. Auf Bettina Wulff (was stand da nochmal drin?) folgt Salman Rushdie – und auf J.K. Rowling: ja, genau, unser nimmermüder Günter Grass mit seinem Gedichtband „Eintagsfliegen“.

Dieses Mal spielt er den medialen Doppelpass mit der Nachrichtenagentur dpa, die stolz vermeldet, dass ihr der dieser Tage erscheinende Gedichtband „vorab“ vorliegt. Vermutlich trägt die Agentur damit auch Sorge dafür, dass der Band nicht gleich vom nächsten Wulff-Walser-Goetz-Rushdie-Rowling-Wirbel vom Stapel gefegt wird. Sie titelt u.a.: „Grass provoziert wieder Israel“. Denn der fast 85-jährige Literaturnobelpreisträger singt in einem der 87 Gedichte ein Loblied auf den wegen Spionage zu 18 Jahren verurteilten israelischen Atomtechniker Mordechai Vanunu, der Mitte der achtziger Jahre Israels geheimes Nuklearprogramm publik gemacht hatte.

Ob das für eine abermalige Erregung reicht nach Grass‘ österlichem Israel-Iran-Gedicht? Und für steigende Verkäufe? Eher nicht.

Die Debatte um das Grass-Gedicht im Frühjahr:

Besser wäre es wohl, auch um Grass mal wieder mit anderem, nichtdeutschem Blick zu betrachten, 700 Seiten Salman Rushdie zu lesen.

Der berichtet in „Joseph Anton“ davon, wie er die Party zu Grass’ 70. Geburtstag im Hamburger Thalia Theater besuchte und an Grass noch ganz andere, über sein Talent als Schriftsteller und Bildhauer hinausgehende Qualitäten erkannte: „Jetzt musste man ihn auch noch als Tänzer bewundern. Das war entschieden zu viel.“

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