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Gehen in Graubünden. Beim Wandern im Safier Tal trifft man derzeit auf diese Installation der Schweizer Künstler Les Freres Chapuisat.

© Gian Ehrenzeller/epa/dpa

Reisefieber (7): Die Sommerserie: Grüezi wohl!

Aufregung, Angst, Abenteuer: Reisen ist der individuelle Ausnahmezustand. An dieser Stelle erzählen wir in den Sommerwochen davon – mit erhöhter Temperatur.

Die ersten Tage geht es noch etwas ungelenk, das Losgehen. Erst den linken, dann den rechten, den linken, den rechten, links, rechts, links, rechts, links, rechts – bis Gehen von selber geht. In schweren Wanderstiefeln und bedächtigem Rhythmus, dem Atem angepasst. Immer weiter, auch wenn die Luft dünner, die Anstrengung größer wird. Einen Fuß vor den anderen zu setzen, das gehört sich auch zu Hause. Aber in der Fremde, in den Bergen zumal, fühlt es sich anders, weniger zielgerichtet, grundsätzlicher und bald auch freier an. Dann ist das zähe Wurzelwerk der Alltagsträgheiten glücklich gekappt. Auch wenn die Wege bekannt sind, die Reise regelmäßig ans immer selbe Ziel führt, ein Gebirgsdorf in Graubünden.

Exotik suchen, auf abenteuerliche Entdeckungen hoffen, den Globus abhaken – das sollen mal schön die anderen machen. Das Getöse der Stadt, die Hitze ewig übervoller Tage, das unendliche Flimmern der Bilder, all das ist Fieber genug. Durch das Gebirge gehen, heißt ruhig werden, den Blick heben, die Wolken ziehen sehen, das Herz weiten, den Kopf kühlen und von Woche zu Woche mehr von den Kräften der Erde und des Himmels sammeln. Auch auf bekannten Pfaden, die – genauer betrachtet – nach jedem Winter, jeder Schlammlawine, jedem Steinschlag neu und anders sind.

Die Welt ist geschwätzig, im Mediengeschäft, in der Stadt sowieso. Da ist Schweigen mehr als eine Atempause, es ist die reine Notwehr. Endlich nicht mehr sitzen, endlich nichts mehr sagen, endlich allein sein. Wie unvergleichlich wunderbar. Nur entgegenkommende müde Wanderer oder resche Alpwirtinnen sind vom inneren Gelübde ausgenommen. „Grüezi wohl!“

Sommerfrische - das ist die Landlust der Städter im Sommer

Ein immer wieder gleiches Reiseziel ist der reine Fieberkiller. Es entspricht dem ein wenig aus der Zeit gefallenen, menschenfreundlichen Prinzip Sommerfrische – von den Gebrüdern Grimm in ihrem Wörterbuch als „Landlust der Städter im Sommer“ definiert.

In der Antike verlegten die Reichen ihre Residenz aus dem stickigen Rom ans Meer. Später machten es ihnen auch einfache Bürger nach und suchten außer an der See auch in den Bergen Abkühlung. Für Monate, nicht bloß für läppische zwei, drei Wanderwochen in der Schweiz.

Da geht das Schweigen so gut wie das Gehen. Nirgends ist es leichter, niemanden kennenzulernen. Eidgenossen neigen nicht zum Fraternisieren. Wanderkarten und Schilder stimmen. Und wenn dann doch mal jemand hilfreich wäre, ihn nach dem Weg zu fragen? Keine Menschenseele, weit und breit.

Bisher erschienen: Träge Tropen, Gelbes Leuchten, Schwarze Sonne, Schwarm und Schock , Vater weg und Kloß im Hals (11. 8.)

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