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Kultur: Gruppentherapie

Das Wartezimmer ist kaum voller als das eines durchschnittlichen Orthopäden.Doch bevor Dr.

Das Wartezimmer ist kaum voller als das eines durchschnittlichen Orthopäden.Doch bevor Dr.Israel seine Sprechstunde vor rund 150 Patienten eröffnet, schickt er seine Praxishilfen auf die Bühne, die das Publikum erstmal ein wenig mobilisieren.Alle, alle, die Hände in die Luft.Eine ganzheitliche Methode, die im Knaack-Club rasche Wirkung zeigt.Höchstens die HNO-Kollegen könnten die Lautstärke beklagen.Doch der interdisziplinäre Mix aus Dub-Reggae, HipHop und Jungle braucht offenbar diesen harntreibenden Schalldruck, um auch dem letzten Hörer seine Herkunft klarzumachen: Brooklyn / New York.Von dort ist der Doctor mit vier Assistenzärzten angereist, die wechselweise an Keyboards und Effektgeräten operieren.Die packenden, hypermotorischen Breakbeats kommen aus dem Sequencer, Geräusch-Samples liegen passend auf Tastendruck bereit.Nur der Baß, ein tiefschnurrender Siebensaiter, wird von Hand geknetet.Vorgefertigt wirken gelegentlich auch des Doctors Diagnosen: Einen Davidsstern hat er sich um seinen bemerkenswert großen Bauchnabel tätowieren lassen.Und natürlich kommt die ganze Rastafari-Arie: Ghetto und Babylon, Eiern und Seiern um Iron and Zion.Als die Forderung nach "Revolution", für oder gegen wen auch immer, durchgesungen ist, fragt er das Berliner Publikum, ob es auch hier eine Revolution wolle.Doch selbst nach zweimaliger Aufforderung ist der Bedarf momentan eher gedämpft.Das Interesse gilt vielmehr einer irrationalen euphorisierenden Wirkung, ausgelöst durch genau dosierte Rhythmusgaben und sensorisch wahrnehmbare tiefe Frequenzen in Verbindung mit nicht verschreibungspflichtigen Kräuterauszügen.Als zum Schluß auch noch die lokalen Crews zur Gesprächstherapie ans Mikro dürfen, ist die Gruppensitzung bald erfolgreich abgeschlossen: "Peace, love, unity and good night!"

RALPH GEISENHANSLÜKE

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