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Kultur: Gute Zeiten, schlechte Zeiten

Sie liebt mich.Sie liebt mich nicht.

Sie liebt mich.Sie liebt mich nicht.Sie liebt mich.Das alte Spiel.Am Ende ist der Liebende auch nicht klüger und eine Blume zerstört.Er sollte es bleiben lassen, aber er kann nicht.Er wird es wieder und wieder wissen wollen und sich wie ein grausames Kind, das Schönheit nicht ertragen kann durch ein Feld mißhandelter Blumen leiden.Andererseits, was soll man machen, wenn die Liebe einem Menschen gilt, den man begehrt, ohne ihn kennengelernt zu haben? Claudio ist so ein Fall.Statt Hero, die er vom ersten Augenblick an ausgewählt hat, mühsam zu erobern, zieht er erst einmal in die Schlacht und feiert dort seine Helden-Entstehung.Das Resultat ist eine aufgeblasene, verklebte, schulterklopfende Männerbündelei, die die wichtigen Dinge im Leben nicht vorbereitet.

Shakespeares Liebes-Komödie "Viel Lärm um Nichts", die seit Freitag im Berliner Schloßpark-Theater gezeigt wird (Regie: Thomas Birkmeir), trägt an einer gewichtigen Hypothek: Kenneth Branagh verfilmte den Stoff erst vor kurzem ziemlich effektvoll und bewies, daß man komplizierte Menschen in historischen Kostümen komplizierte Dinge sagen lassen kann - wenn sie nur einfältig genug gemeint sind.Die beiden jugendlichen Draufgänger Claudio und Benedikt halten sich zwar für unwiderstehlich, in Liebesdingen jedoch muß ihnen geholfen werden.Das macht sie für Botschaften empfänglich, insbesondere solche, die sie nicht hören sollen.Und selbsternannte Helfer finden sich immer, wo delikate Angelegenheiten besorgt werden müssen.Nur einer spielt nicht mit.Der Intrigant.Seine schwarze Seele friert die Erregung der Verliebten ein und stoppt die Stürmer, um gallige Verleumdungen in ungläubige Gesichter zu spucken.Eine verächtliche Figur, die jedoch erschreckend wenig verführerisch ist.

Das Stück ist kompliziert und schwierig und nicht nur wegen der verworrenen Ränkespiele, die sich in mehreren Parallelhandlungen fortsetzen, sondern weil es elementare Dinge unterschlägt.Birkmeirs Inszenierung zeigt nur die Oberfläche, die sich mit der Ahnungslosigkeit der Liebenden zufriedengibt, weil sie im Überschwang der Gefühle nicht mehr wissen können, wer ihren Kopf verdreht und in welche Richtung.So werden sie am Ende auch flugs wieder versöhnt."Ein Mißverständnis!" soll es gewesen sein.Ein Mißverständnis? Unsinn.Mangelndes Vertrauen.Eitelkeit.Aber das wagt die Inszenierung nicht.So wäre sie beinahe ein weiteres enttäuschendes Beispiel für die komplette Humorlosigkeit deutscher Shakespeare-Bearbeitungen, wenn nicht die raffinierten Wortklaubereien der beiden dumm-dreisten Lakaien beweisen würden, wie schierig es ist, das Leben überhaupt zu bewältigen.Aber auch ihre trottelige Kleverness, ein in seiner angestrengten Opulenz rührendes Bescheidwissen, ist eigentlich verschenkt worden.Was hätte das für eine Rasanz entfalten können, das Ringen Claudios um die geladene Waffe, die im Zweikampf unkontrolliert durch den Raum schwenkt und jeden Augenblick einen tödlichen Schuß abfeuern könnte.Niemand verstünde besser als diese beiden Narren, daß sie naturgemäß die Betroffenen wären.Shakespeares Parabel ist nur deswegen komisch, weil die Leute am Ende zu überleben verstehen.

KAI MÜLLER

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