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Sänger Julian Prégardien, 32 Jahre alt, weiß an diesem Abend mit seinem dramatischen Tenor besonders zu überzeugen.

© Marco Borggreve

Händel-Programm im Konzerthaus: Die Verzweiflung des Jephtha

Dramatischer Tenor und Begeisterung, die ansteckt: Die Akademie für Alte Musik beeindruckt im Konzerthaus mit einem Händel-Programm.

Georg Friedrich Händel wusste schon vor mehr als 300 Jahren, dass sich auch die hohe Kunst verkaufen muss. Erst machte er seine Opern in London zum Kassenschlager, daraus wiederum zog er die nötige Publicity für seine Orgel- und Sinfoniekonzerte, und als es mit der Oper zeitweilig nicht mehr so lief, machte er sich die italienischen Oratorien zu eigen und nutzte biblische Szenen für eigene musiktheatralische Stücke.

Dass der berühmte Hallenser zwischendurch immer auch Instrumentalmusik bot, ist verbürgt – und beispielgebend für das erste Abonnementkonzert der Akademie für Alte Musik Berlin im Konzerthaus. Dramaturgisch geschickt werden hier Ausschnitte und berühmte Rezitative und Arien aus „Belshazzar“ und „Jephtha“ mit Concerti grossi von Händel selbst oder seinen Londoner Zeitgenossen zusammengespannt. Ein musikalischer Flickenteppich, über den der Skeptiker sich beugt und schließlich sieht: Er wird so erst zum Bild.

Stilistische Stilsicherheit und ansteckende Begeisterung

Selbstverständlich ergibt sich die Natürlichkeit dieser auf den ersten Blick eher merkwürdigen Zusammenstellung vor allem aus der stilistischen Sicherheit der Akamus-Experten, zwischen sinfonischer und dramatischer Musik quasi mühelos hin- und herwechseln zu können, zumal sich beide Genres eben hier gut ergänzen. Besonders bei diesem Repertoire ist ja immer wieder die Erkenntnis erschütternd banal, dass ein gutes Konzert nicht viel mehr braucht als die Begeisterung der Akteure. Allein wie Konzertmeister Bernhard Forck den Bogen hebt und sich mit freundlich-bestimmten, aufmunternden Bewegungen seinen Musikern zuwendet und wie diese darauf reagieren, zeigt schon die Passgenauigkeit bei der gemeinsamen Erarbeitung überzeugender Interpretationen. Forck kann diese Händel-Kapriziosen mit solch einem zwingenden Esprit beleben, dass die Größe der musikalischen Erfindung und theatralischen Beschreibung sich ungemein plastisch von selbst herausarbeitet.

Kongenial fügt sich in diese szenisch aufgeladenen Töne Julian Prégardiens äußerst dramatischer Tenor, der bis über die Grenzen des Parlando hinaus ruft, schreit, flüstert, erstirbt. Allein das Bekenntnis Jephthas, im Angesicht des zu opfernden eigenen Kindes zu verzweifeln, ist so eindringlich, wie es auf mancher Opernbühne nie erreichbar wäre. Ein großartiger Abend.

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