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Kultur: Hallen

Indisches bei den Festwochen

Lakshminarayana blickt streng von einem riesigen, mit Girlanden behängten Foto auf das Treiben seines Sohnes Dr. L. Subramaniam, der in Indien auch als "Kaiser der (indischen) Violine" bezeichnet wird. Die Bühne ist mit einem Teppich wohnlicher gemacht, man gibt sich ganz den Klängen hin – westliche Musik versteht man ja angeblich auch ohne belastende Vorkenntnisse.

Eine Stunde dauert so ein Krti, eine Form, die uns der nachsichtige Arzt Dr. Subramaniam in ärztlichem Chinesisch erklärt. Er hält zwar eine Violine in der Hand, diese ist aber in einem viel weiteren Umfang und vibrierender gestimmt als die westliche. Im Sitzen wird sie kopfüber auf dem Fußknöchel aufgestützt, und dann langsam mit den Fingern und dem Bogen gestreichelt. Flirrende bis blitzende, mal rauchig nasale, mal schneidend spitze Klänge werden ihr entzogen. Die halsbrecherisch herausgekitzelten Ornamente sind offenkundig von großer Bedeutung, auch wenn man sie so schnell nicht auseinander halten kann. Ganz mochten die Künstler dem originalen Klang nicht trauen, deshalb wird alles elektronisch verstärkt und mit Hall versehen, die indische Drehleier mit ihrem immergleichen Grundklang kommt vom Band.

Mit steinerner Miene verharren vier Trommler demütig lauschend, bis nach halbstündiger Improvisation des unbestrittenen Meisters ihre Rhythmen gefragt sind. Der westlich analytische Geist gibt auf, und siehe da, die Grundschwingung des Raga, mal in engster Konzentration gestaucht, mal in weitestem Klangraum herauskatapultiert, ergreift den Körper. Und nicht nur ihn, die Seele wird in den Zustand höherer Lange-Weile versetzt, ignoriert das Quäken eines mitgebrachten Kleinkindes. Dr. Subramaniam allerdings besteht darauf, dass der kleine Störenfried entfernt werde, "es lenkt wirklich ab". Die Berliner Festwochen, die uns zu diesem denk- und erlebenswürdigen Einblick in die Welt esoterisch-ritueller südindischer Klänge verhalfen, werden trotz lautstarker Proteste einiger Konzertgäste über diese Grausamkeit bei den weiteren Konzerten dieser Reihe Kleinkinder wohl nicht mehr zulassen.

Clemens Goldberg

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