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Kultur: Handycam und Menschenrecht Berlin goes NGO – zum „One World Festival“

Ein Stammesritual à la Voodoo mit Hühnerblut und Spucke – nur das Objekt der Verehrung kommt aus dem 20. Jahrhundert: eine Digitalkamera, die den Ureinwohnern auf Mindanao helfen soll, gegen Menschenrechtsverstöße von Militär und Großgrundbesitzern vorzugehen.

Ein Stammesritual à la Voodoo mit Hühnerblut und Spucke – nur das Objekt der Verehrung kommt aus dem 20. Jahrhundert: eine Digitalkamera, die den Ureinwohnern auf Mindanao helfen soll, gegen Menschenrechtsverstöße von Militär und Großgrundbesitzern vorzugehen. Übergeben wird sie den örtlichen Aktivisten vom Filmemacher Joey Lozano im Auftrag von „Witness“ – die NGO macht seit über zehn Jahren Menschenrechtsgruppen mit Kameras zu Mitspielern im globalen Medienzirkus. So führt Joey nach der Weihe-Zeremonie sein philippinisches Publikum gleich ins Geheimnis von Einstellungen und Blende ein.

1985 hatte Sony den ersten Camcorder im Miniaturformat auf den Markt gebracht. Bald schon wurde die preiswerte Technik für Freizeit und Urlaub auch zur leicht verfügbaren Waffe für investigative Einzelkämpfer. Medien und Dokumentarfilm wurden dadurch nachhaltig verändert. Mittlerweile finden die Zeugnisse eingreifenden Filmemachens weltweit eigene Foren – in auf Menschenrechte spezialisierten Festivals.

Bereits etabliert ist das 1998 in Prag gegründete „One World Festival“, das seit letztem Jahr auch in Berlin vertreten ist. Dabei wird der Menschenrechtsbegriff eher weit ausgelegt: Unter dem Motto „the world is more than icons“ zeigt man so unterschiedliche Filme wie Maria Ramos’ brasilianische Justizstudie „Justiça“ oder Bruce La Bruces schwulen Skinhead-Porno „Skin Flick“. Und oben beschriebenen „Seeing is believing : Handicams, Human rights and the News“, der ebenso materialreich wie emphatisch die kommunikative Demokratisierung durch die neuen Technologien feiert.

Die Macher von „Voices of Iraq“ haben gleich 150 Kameras auf einmal ausgegeben und das gedrehte Material zu einem Film gebaut, der bei allen Stärken auch die Grenzen solcher Mediendemokratie deutlich macht. Denn die Kontrolle über Schnitt und Postproduktion blieb in der Hand der westlichen Produzenten, die die Arbeit ihrer Kameraleute auf anonyme Original-Schnipsel reduzieren. Überzeugender ist da der heutige Eröffungsfilm geraten, der eine Brücke in vormediale Zeiten schlägt. „Oyun“ von Pelin Esmer dokumentiert die Arbeit an einem Theaterstück, zu dem anatolische Bäuerinnen mit dem Dorflehrer ihr eigenes Leben verdichten. Hauptthema ist die patriarchale Gewalt in den Familien. Die gemeinsame Arbeit macht sie selbstbewusster und mutiger. Das braucht es auch: Schließlich sitzen am Ende auch die gescholtenen Väter und Ehemänner im Publikum.

Bis 23. November. Eröffnung heute um 19 Uhr im Künstlerhaus Bethanien. Infos im Internet: www.oneworld-fest.de

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