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Hans-Christoph Rademann

© Holger Schneider

Hans-Christoph Rademanns Abschied beim Rias-Kammerchor: Glück und Gänsehaut

Hans-Christoph Rademann verabschiedet sich als Leiter des Rias-Kammerchors - mit einem Mendelssohn-Konzert am heutigen Sonntag in der Philharmonie.

Acht Jahre saß er am Steuer dieses Ferraris. Mit größtem Vergnügen. Und Respekt. „Das gute Gefühl entsteht dadurch, dass man den Wagen nie ausfahren muss“, hat Hans-Christoph Rademann seinen Vergleich des Rias-Kammerchores mit der Nobelkarosse einmal erklärt. „Egal, wie schnell man fährt, man weiß jederzeit, dass im Zweifelsfall noch Luft nach oben ist.“ Und auch jetzt, als er aus dem Probenraum des Chores im RBB-Fernsehzentrum kommt, gerät der Dirigent sofort wieder ins Schwärmen. Erhitzt von den Vorbereitungen zu Mendelssohns Oratorium „Elias“, mit dem er am heutigen Sonntag das Abschiedskonzert bestreitet, erzählt Rademann von der Hingabe, mit der sich die Sängerprofis selbst allerschwierigste Partituren erarbeiten. „In jeder Probe gibt es mindestens einen Gänsehautmoment, und bei den Konzerten sind die Sängerinnen und Sänger dann so konzentriert, dass das Dirigieren plötzlich ganz einfach wird. Seit 2007 konnte ich so eine ganze Schatztruhe voll unvergesslicher Klänge sammeln, von der ich mein restliches Leben lang zehren werde.“

Rund 100 Tage pro Saison hat Rademann in Berlin verbracht, um in intensiven Probenphasen mit dem Rias-Kammerchor zu arbeiten. Anders hätte er seine drei weiteren Jobs auch nicht unter einen Hut bekommen: den Dresdner Kammerchor, den er als Student gegründet hat, das „Musikfest Erzgebirge“ in seiner sächsischen Heimatregion und die Professur in Dresden. Letztere ruhte, seit der Dirigent sich 2013 überreden ließ, die Nachfolge von Helmuth Rilling bei der Stuttgarter Bachakademie anzutreten. Ein Pensum am Limit der körperlichen Belastbarkeit, das nur zu schaffen ist, wenn die künstlerischen Ergebnisse genug Glückshormone freisetzen.

Die Erfolge, die das Rias-Ensemble zu Hause wie auch auf Tourneen feiert, sprechen da für sich: „Der Chor hat eine Eigenschwingung, die ihn ungeheuer kreativ macht beim Umsetzen klanglicher Vorstellungen. Dirigenten können auf ihm spielen wie auf einem Instrument.“ Dass sich so eine Flexibilität nur im knallharten täglichen Training erreichen lässt, verschweigt der 49-Jährige nicht: „Wer als Chef vor Kritik zurückscheut, hat sein Geld nicht verdient.“ Der ideale künstlerische Leiter ist für Rademann ein vorausschauender Fahrer. Einer, der immer auch die langfristige stilistische Entwicklung seiner Truppe im Auge behält. „Einfach nur geradeaus geht nicht in der Kunst. Wenn man nicht mindestens ein Prozent Steigung schafft, bedeutet das schon, es geht bergab.“

Dass der Chor bislang keinen Nachfolger präsentieren konnte, beunruhigt den scheidenden Chef wenig: Ein so gut aufgestelltes Ensemble werde die führungslose Zeit locker ohne Qualitätsverlust überstehen. Vielleicht macht ihn die Vakanz sogar ein wenig stolz – weil sie zeigt, dass sich ein Künstler seines Kalibers nicht so leicht ersetzen lässt.

Deutschlandradio überträgt das Abschiedskonzert am heutigen Sonntag, 5. Juli, live ab 20 Uhr aus dem Konzerthaus

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