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Kultur: Hans Haacke: Wink mit dem weißen Stoffband

Hans Haacke sorgt weiterhin für Wirbel um etwas, das noch gar nicht zu sehen ist. Diesmal im Portikus in Frankfurt am Main, wo er sein umstrittenes Berliner Reichstagsprojekt dokumentiert und ergänzt.

Hans Haacke sorgt weiterhin für Wirbel um etwas, das noch gar nicht zu sehen ist. Diesmal im Portikus in Frankfurt am Main, wo er sein umstrittenes Berliner Reichstagsprojekt dokumentiert und ergänzt. Ob damit allerdings die Diskussion wieder in den Kunstkontext transportiert wird, wie Ausstellungsmacher Kasper König hofft, sei dahingestellt.

In Frankfurt hat Haacke die zwischen 1820 und 1825 erbaute und im Zweiten Weltkrieg bis auf die Fassade zerstörte Frankfurter Stadtbibliothek mit der Inschrift "Der Bevölkerung" versehen. Sie prangt nun über der eigentlichen, lateinischen Formel, die da übersetzt lautet: "Den Bürgern die Wissenschaften nach wiedererlangter Freiheit" - eine Anspielung auf die Befreiung von napoleonischer Herrschaft. Hinter der alten Fassade, wo König vor 13 Jahren seine Portikus-Halle als Containerbau errichten ließ, hat Haacke ein weißes Band quer im Raum ausgebreitet, das wiederum "der Bevölkerung" gewidmet ist - jene Worte, die er auch im Lichthof des Berliner Reichstags in einem Erdbeet aufleuchten lassen will.

In Frankfurt sorgt ein Ventilator für das symbolische Aufwirbeln des Schriftbandes. An der Stirnseite des Raums ist der Giebel des Berliner Reichstages als überdimensionales Schwarzweißfoto präsent, rechter Hand liegt ein Stapel von Jutesäcken stellvertretend für die 669 Parlamentarier, die damit ihre Wahlkreis-Erde herbeitransportieren sollen. Außerdem hängen an den Längsseiten Zeitungshefter in Schwarz, Rot und Gold zur Dokumentation des Projektes, das im April mit knapper Mehrheit vom Bundestag abgesegnet wurde.

Haacke reizten die architektonischen Parallelen und Unterschiede der beiden Bauten. Während das Frankfurter Gebäude einen humanistischen Auftrag erfüllte verkörpert der Reichstag für den Künstler einen "imperialen Bau". Haacke untersuchte nicht nur die Figurensprache des Berliner Giebels, sondern hat auch Quellenstudium betrieben. So erinnert er noch einmal daran, dass die Inschrift "Dem deutschen Volke" von zwei eingeschmolzenen Kanonen stammt und von einer jüdischen Firma gegossen wurde, die später zwei Söhne in Konzentrationslagern verlor.

Aber Haacke will gar nicht die Inschrift entfernen lassen, wie das einst Alt-Bundespräsident Roman Herzog vorgeschlagen hat. Wichtig ist ihm das Nebeneinander, die Bewusstmachung der Zusammenhänge, ähnlich wie beim russischen Graffito im Reichstag. Dennoch überzeugt er nicht; solche Argumente wirken eher als Rechtfertigung für eine pathetische-didaktische Arbeit.

Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass der in New York lebende Künstler gerade jetzt die alte Frankfurter Stadtbibliothek mit dem Berliner Reichstag vergleicht. Denn die Zukunft des Portikus ist völlig offen, nachdem Städelschul-Rektor König seinen Weggang ans Kölner Museum Ludwig für Ende Oktober angekündigt hat. Ob potentielle Nachfolger Königs Durchsetzungsvermögen für den Erhalt der unkonventionellen Ausstellungshalle haben, muss sich erst erweisen. Immerhin wird seit Jahren der Wiederaufbau der alten Stadtbibliothek diskutiert. Dafür müsste allerdings die Portikus-Halle weichen.

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