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Der Sänger, Schauspieler und Aktivist Harry Belafonte.

© Arno Burgi/dpa

Harry Belafonte zum 90. Geburtstag: Der sanfte Gigant

Er marschierte mit Martin Luther King und war der König des Calypsos. Heute wird der US-amerikanische Sänger und Schauspieler Harry Belafonte 90 Jahre alt. Eine Gratulation.

„Wir wollen nicht so leben wie unsere Väter“, erklärt der junge schwarze Aktivist dem alten weißen Journalisten, der zu Besuch in dessen karibischer Heimat ist. Die Tradition der Sklavenschiffe und Plantagenarbeit müsse gebrochen werden. „Gleichberechtigung ist, was wir wollen.“

Harry Belafonte spricht diese Worte 1957 in Robert Rossens Film „Island in the Sun“ mit einer solchen Nachdrücklichkeit aus, dass sofort klar wird: Der von ihm gespielte David Boyeur wird die Insel, die unter britischer Kolonialherrschaft steht, nachhaltig verändern. Für Belafonte ist die Rolle – erst seine dritte im Kino – wie geschaffen. Denn etwa zu dieser Zeit fängt er an, die amerikanische Bürgerrechtsbewegung zu unterstützen und ganz ähnliche Sätze wie seine Filmfigur zu sagen.

Der 1927 in New York geborene Sohn von zwei Einwanderern aus der Karibik befindet sich Mitte der Fünfziger am Beginn seiner künstlerisch erfolgreichsten Phase. Mit seinem zweiten Album „Calypso“ hat er Elvis in den Charts abgehängt und als erster Sänger eine Million Platten verkauft. Der „Banana Boat Song“, mit dem gedehnten „Day-oh, dayyy-oh“-Auftakt wird zu seinem Riesenhit und ist bis heute sein bekanntestes Lied. Eigentlich ein Klagesong von Hafenarbeitern, die das Ende ihrer Schicht herbeisehnen, gehört er absurderweise zum Einheiz-Repertoire amerikanischer Sportarenen.

Er nahm Schauspielunterricht bei Erwin Piscator

Harry Belafonte löst damals einen Calypso-Boom aus, wird selbst zum König des Genres. Mit seiner sanften Stimme und den munter-schunkelnden Songs trifft er einen Nerv. Zudem hat er einen Authentizitätsbonus: Als Kind lebte er einige Jahre bei seiner Großmutter auf Jamaika und beherrscht deshalb auch den karibischen Akzent, den er etwa bei seinem frühen Hit „Matilda“ benutzt. Als er Folksongs singt, gibt es Kritik. Doch Belafonte, der auch Jazz- und Bluesstücke interpretiert, lässt sich von solcher Kleingeisterei nie einschüchtern. Als Sänger sieht er sich ohnehin nicht, sondern als Schauspieler, der singt.

Das Theater ist seine erste große Liebe. Im New Yorker American Negro Theatre sitzt er erst im Publikum und steht später selbst auf der Bühne. Ende der vierziger Jahre nimmt Belafonte, der im Krieg als Munitionslader bei der Navy gedient hat, beim deutschen Emigranten Erwin Piscator Schauspielunterricht. In seiner Klasse sind auch Marlon Brando, Walter Matthau und Tony Curtis. Seinen ersten Erfolg feiert Belafonte in einer Revue, es folgen Kinorollen und Gesangsauftritte. Von Mitte der Fünfziger bis Anfang der Sechziger steht er im Zenit seiner Karriere, das 1959 eingespielte Album „Belafonte At Carnegie Hall“ hält sich drei Jahre in den Charts.

Mit Martin Luther King marschierte er nach Washington

Der in Armut aufgewachsene Künstler spricht ein Publikum aus allen Bevölkerungsgruppen an. Dass diese Popularität sich auch politisch nutzen lässt, erkennt Martin Luther King, der Belafonte bei einem ersten Treffen tief beeindruckt. Und so stellt sich der Sänger an die Seite des Geistlichen, ist beim Marsch auf Washington dabei, setzt sich unermüdlich gegen Rassentrennung und für Gleichberechtigung ein. Mit seinem Freund Sidney Poitier fährt er 1964 nach Mississippi, um dort die Bürgerrechtler zu unterstützen und begibt sich damit ins Visier des Ku-Klux-Klan. Furchtlosigkeit und rhetorisches Geschick zeichnen Belafonte aus. Das kommt auch zum Tragen, als er sich gegen die Apartheid in Südafrika einsetzt, bei einem Konzert in Ost-Berlin Udo Lindenberg als Support durchdrückt, schließlich Unicef-Botschafter und „We Are The World“-Mitorganisator wird.

Mittlerweile singt er nur noch für seine Frau. Ungebrochen ist hingegen sein Kämpfergeist. So kritisierte er Präsident Obama, engagiert sich mit seiner NGO Sankofa für soziale Gerechtigkeit und gratulierte am Montag Mahershala Ali auf Twitter zum Oscar-Gewinn. An diesem Mittwoch wird der sanfte Gigant Harry Belafonte 90 Jahre alt.

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