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Woody Allen, dieser Tage in Rom.

© dpa

Kultur: Harry und Woody tun es

Europa-Nostalgie sorgt für Rekorde in US-Kinos

Hätten wir anderes erwartet? Der allerneueste und allerletzte Harry Potter, „Die Heiligtümer des Todes 2“, verbuchte am ersten Wochenende in den USA mit 168,6 Millionen Dollar die höchsten Starteinnahmen aller Zeiten. Das „Batman“-Spektakel „Dark Knight“ als bisheriger Rekordhalter brachte es 2008 von Freitag bis Sonntag auf „nur“ 158,4 Millionen Dollar. Schon am Freitag hatte das Potter-Abenteuer die Vampir-Romanze „Twilight 2“ – bislang Spitzenreiter in der Disziplin „Von Null auf Top an einem Tag“ – auf Platz zwei verwiesen: mit 92 Millionen Dollar Tageseinnahmen in den USA und Kanada.

Nun bewegen sich alle Potter-Filme, wie die Bücher, ohnehin in einer eigenen Liga. Oder besser: in einem eigenen Orbit? Sie werden innig geliebt von einer planetaren Fangemeinde, die es locker mit der Bewohnerzahl mancher europäischer Staaten aufnehmen kann. Doch kaum hat man die Neuigkeit verarbeitet, erwartet einen eine veritable Sensation.

Woody Allens 42. Film, „Midnight in Paris“, hat in den USA zu Beginn seiner achten Kinowoche knapp halb soviel eingespielt wie der neue Potter in Nordamerika am ersten Tag. Das ist keine Nachricht? Also so: Woody Allen hat sich an den Kinokassen seiner Heimat selbst übertroffen –erstmals seit 25 Jahren. 40,4 Millionen Dollar sind das einstweilige Ergebnis für seinen Cannes-Eröffnungsfilm (deutscher Start am 18. August). Das sind 300 000 Dollar mehr als für seinen bisherigen Top-Hit „Hannah und ihre Schwestern“ .

Das Besondere: „Midnight in Paris“ ist nicht nur besonders liebevoll altmodisch und besonders liebevoll europäisch (was man auch von Harry Potter sagen kann). Sondern ein Film, in dem Woody Allen den Amerikanern einen garstigen Spiegel vorhält. Jedenfalls denen, die nicht schnurstracks nach Europa umziehen. Schließlich löst sich sein Held, ein schüchterner Drehbuchautor, definitiv aus den Fängen seiner resoluten Braut. Und beginnt, hachja, in Paris mit einer wunderschönen Trödel-Marketenderin ein neues Leben.

Mehr noch: Die kernige Landsleutebeschimpfung à la „Ihr kulturlosen Kalifornisten, bleibt da, wo der Cayenne-Pfeffer wächst“ ist zwar in ein hinreißend nostalgisches Gewand gekleidet, aber auch durch Popcornkinokonsumenten mühelos zu entblättern. Sollte also der fulminante Erfolg des Films, der zeitweise gar Blockbuster-Qualitäten anzunehmen schien, auf einen neuen Selbsthass der Amerikaner zurückzuführen sein?

Wundern täte es nicht. Sie haben ja allerhand satt, Obama, die Krise, Afghanistan, Irak sowieso, da mögen das gute, alte Europa und erst recht der unkaputtbare Sehnsuchtsort Paris eine prima Alternative sein. Nun müssten sich nur noch die europamüden Europäer im selben Maß für das amerikanische Kino interessieren. Tun sie schon? Oops, da hätten wir fast was übersehen. Jan Schulz-Ojala

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